Hilfslieferungen kommen bei Venezuelas Bevölkerung an – trotz US-Sanktionen

Hilfe statt Show

Von Melina Deymann

Am Montag präsentierte sich der Putschist Juan Guaidó stolz in einem Video auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Endlich seien erste Hilfsgüter im Land angekommen, die umgehend an schwangere Frauen und unterernährte Kinder verteilt würden. Dabei hielt er kleine Tütchen mit „Mikronährstoffen in Pulverform“ und Schwangerschaftsvitamine in die Kamera. Wie die angeblichen „Hilfslieferungen“ nach Venezuela kamen, in welchem Versteck er sie präsentierte und wie er die Verteilung organisieren will, bleibt das Geheimnis des Möchtegernpräsidenten.

Der Krieg gegen die bolivarische Revolution wird derzeit neben wirtschaftlichen und diplomatischen vor allem mit medialen Waffen geführt. Besondere Aufmerksamkeit wurde der angeblich zur Verhinderung von Hilfsgüterlieferungen von der venezolanischen Regierung gesperrten Brücke Tienditas zuteil. Aber selbst der „Faktenfinder“ von „tagesschau.de“ musste inzwischen zugeben, dass sie niemals eröffnet und für den Verkehr freigegeben worden ist. Statt der Brücke wird den aus dem nahen und fernen Ausland herbeigekarrten Journalisten nun ein Lager auf der kolumbianischen Seite der Grenze präsentiert, in dem angeblich 46 Tonnen Lebensmittel als „Hilfslieferungen“ nach Venezuela auf Abholung warten.

Die US-Botschaft in Kolumbien und die Regierung in Washington brüsten sich damit, dass durch die „Hilfe“ 5 000 Venezolaner ganze zehn Tage lang mit Pflanzenöl, Mehl, Linsen und Reis versorgt werden könnten. Für 6 700 Kinder sollen Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung stehen, für weitere 10000 Energieriegel. Für die „humanitäre Hilfe“, zu der auch ein Zehn-Tages-Vorrat an Seife, Zahnbürsten und anderen Produkten der persönlichen Hygiene für 7 500 Venezolaner gehören soll, veranschlagt USAID, eine Abteilung des US-Außenministeriums, 20 Millionen US-Dollar.

20 Millionen Dollar Hilfe – ein Witz im Vergleich zu den geschätzten 30 Millionen US-Dollar pro Tag, die das neue US-Ölembargo Venezuela in diesem Jahr kosten wird.

Die jüngste Runde der US-Wirtschaftssanktionen untersagt Unternehmen, die unter US-amerikanischer Gerichtsbarkeit stehen, den Erwerb von Öl der Ölgesellschaft PDVSA. Nach Angaben von US-Sicherheitsberater Bolton entgeht dem venezolanischen Staatsunternehmen damit ein Umsatz von 11 Milliarden US-Dollar allein in diesem Jahr. Zudem wurde die in Houston ansässige PDVSA-Tochtergesellschaft CITGO, deren Wert bei 7 Milliarden US-Dollar liegt, „eingefroren“.

Dem Wirtschaftskrieg gegen das Land zum Trotz subventioniert die venezolanische Regierung weiter Lebensmittel, die dann zu vergünstigten Preisen verkauft werden. Sechs Millionen Familien mit im Schnitt vier Mitgliedern werden so jeden Monat durch die „Lokalkomitees für Versorgung und Produktion“ (CLAP) versorgt, das sind rund 24 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner. In den Paketen enthalten sind Pflanzenöl, Mehl, Reis, Nudeln und Linsen.

Der Putschist Guaidó forderte derweil auf Twitter, alles zu tun, „um Menschenleben zu retten“, und meint damit eine US-Militärintervention, die ihm an die Macht verhelfen soll.

Die US-Regierung will eine Resolution im UN-Sicherheitsrat verabschiedet sehen, in der die volle Unterstützung für das venezolanische Parlament als „einzige demokratische gewählte Institution“ festgehalten wird. Im Parlament hat die Opposition gegen Maduro die Mehrheit. Bereits in der Woche nach dem Putschversuch durch Guaidó hatte UN-Generalsekretär António Guterres durch einen Sprecher bestätigt, dass für die Vereinten Nationen weiterhin Nicolás Maduro der legitime Präsident Venezuelas ist.

Nur 40 von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben Guaidó anerkannt. Am vergangenen Sonntag stellte sich auch die Staatengemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) hinter die Regierung Maduro und rief die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentenwahlen im Dezember 2015 und Mai 2018 zu respektieren.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags stellt inzwischen die Rechtmäßigkeit der Anerkennung Guaidós durch die deutsche Regierung in Frage. In einem Gutachten stellte er fest, dass es „starke Gründe“ für die Annahme gibt, dass es sich dabei um eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ handelt.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Hilfe statt Show", UZ vom 15. Februar 2019



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