Manfred Jansen nahm am Aktionstag der IG Metall in Stuttgart teil

Hört die Signale!

Nicht jeder Aufruf zum Widerstand wird heute massenhaft befolgt. Die IG Metall rief und über 10.000 Kolleginnen und Kollegen kamen nach Angaben der Gewerkschaft am 29. Oktober allein nach Stuttgart. Sie kamen aus Angst um ihre Arbeitsplätze, aus Angst vor drohendem Verlust ihres Lebensstandards, vor Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Entwertung ihrer Arbeitskraft. Viele führen derzeit Abwehrkämpfe. Viele signalisieren Kampfbereitschaft und Entschlossenheit. Es ist gut, dass diese Kraftdemonstration in die Koalitionsverhandlungen hineintönte. Kaum verhohlen wird dort geplant, die Arbeitenden über den Tisch zu ziehen. Gleichzeitig werden rechts noch reaktionärere „Alternativen“ geschmiedet.

Die in den Kundgebungsreden proklamierten „Lösungen“ sind keine. Es ist nicht zielführend, an die Fairness der Unternehmer zu appellieren oder „die Politik“ um Hilfe zu bitten. Die Konzerne folgen konsequent den Gesetzmäßigkeiten ihres Profitsystems. Das bedeutet Vervielfachung der Produktivkraft in immer kürzeren Zeiträumen, Entwertung und Entlassung von Arbeitskräften sowie Raubbau an der Natur. Die geforderten „Auswege“, etwa die Elektromobilität, werden nicht aus der kapitalistischen Krise führen, weder aus der ökonomischen noch aus der ökologischen. Es fehlt eine überzeugende Abwehrstrategie. Noch nicht einmal die dringend notwendige Arbeitszeitverkürzung oder die dringende Erhöhung der Massenkaufkraft wurden gefordert.

Wir Kommunisten „wissen es besser“, weil unsere Analyse auf wissenschaftlicher Kenntnis der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten beruht. Standortkonkurrenz hilft uns Arbeitenden nicht. Wir brauchen eine globale gesamtgesellschaftliche Planung und Kräfteanspannung zum Wohle aller Menschen. Es gäbe unendlich viel zu tun, Arbeit in Hülle und Fülle. Umwelt sanieren, Armut beseitigen, Hunger und Krankheiten ausrotten … Dem steht die kapitalistische Profitlogik unerbittlich entgegen.

Es besser zu wissen darf aber nicht zu Besserwisserei verleiten. Nur „von außen“ zu kritisieren bringt nichts. Solidarisch dabei sein, den Zusammenhang zwischen Kämpfen um Reformforderungen und dem sozialistischen Ziel begreifen und praktisch leben, das ist die Herausforderung. Dass es uns nicht so gehe wie der antiken Seherin Kassandra, die dazu verflucht war, alles vorauszusehen, aber keine Resonanz zu finden.

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"Hört die Signale!", UZ vom 5. November 2021



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