BRICS-Erweiterung in Kriegszeiten

Im Aufwind

2024 dürfte für den Erweiterungs- und Vertiefungsprozess der BRICS-Organisation ein wichtiges, wenn nicht entscheidendes Jahr werden. Russland hat in diesem Jahr den Vorsitz der BRICS. In diesem Jahr sind über 200 Veranstaltungen geplant, in Kasan soll im Oktober das nächste BRICS-Meeting stattfinden. Zentrale Themen dürften die De-Dollarisierung, die Stärkung der von den BRICS-Staaten gegründeten multilateralen New Development Bank (NDB), die Beschleunigung des Aufnahmeprozesses und die Konflikte in Osteuropa und Südwestasien sein.

Die BRICS-Staaten wollen sich so schnell wie möglich außerhalb des Mahlstroms des sinkenden US-Imperiums bringen. Keine triviale Aufgabe. Ein künftiges BRICS-Währungssystem muss die Finanztransaktionen zwischen den mit ökonomisch sehr unterschiedlich starken Ökonomien und mit sehr unterschiedlich strukturierten Außenhandelssalden ausgestatteten Mitgliedstaaten ermöglichen, ohne, wie es der Dollar tut, die Dominanz einer Führungsnation zu zementieren. Die illegale Beschlagnahme der 300 Milliarden USD schweren russischen Guthaben und die Kreditvergabepraxis der US-dominierten Finanzinstitutionen IWF und Weltbank dürfte in lebhafter Erinnerung sein. Der US-Sicherheitsstaat hat sich längst als Mafia-Zentrale geoutet, die sich hemmungslos an den Vermögenswerten unliebsamer Staaten bedient. IWF und Weltbank halten den Globalen Süden in der Schuldenfalle, verhindern jeglichen sozialökonomischen Fortschritt und stabilisieren so den Dollar-Imperialismus. Um davon unabhängig zu werden, ist eine deutliche Ertüchtigung der NDB erforderlich.

Entwicklung ist von Kapital, von Krediten abhängig. Mit der Besetzung des NDB-Chefpostens mit der brasilianischen Expräsidentin Dilma Rousseff ist ein wichtiger Schritt getan. Die Verbreiterung der Mitgliedsbasis und Finanzausstattung wäre ein weiterer notwendiger Schritt. Das Ziel der BRICS ist die Förderung von Handel, ökonomischem und technologischem Fortschritt und die Kreation von Win-win-Situationen. Und nicht von Ausbeutung und neuen Abhängigkeiten.

Unbefriedigend ist die bisherige Aufnahmepraxis neuer Mitglieder. Würde das Tempo so beibehalten, würde der Erweiterungsprozess mehrere Jahrzehnte dauern. Das kann keiner wollen. Man darf gespannt sein, was in Kasan in dieser Hinsicht auf dem Verhandlungstisch liegen wird.

Für die neuen BRICS-Staaten Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Iran stellt dieser Konflikt auf unterschiedliche Weise eine Herausforderung dar. Iran steht in einer direkten Konfrontation mit Israel, Ägypten und die Golfstaaten haben noch starke Bindungen an den Westen, die wie beim ökonomisch angeschlagenen Ägypten ein erhebliches Erpressungspotential darstellen.

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"Im Aufwind", UZ vom 26. April 2024



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