Zur Uneinigkeit der EU

Kakophonie in Brüssel

Schon der informelle EU-Gipfel Anfang Oktober in Spanien war ein Flop. Ungarn macht beim Krieg gegen Russland nicht mit und droht mit der Blockade des EU-Finanzierungsrahmens bis 2027. Viktor Orbán hat sein Land energiepolitisch von westlichen Konzernen unabhängig gemacht und nutzte das auch auf dem regulären EU-Gipfel am 26. und 27. Oktober in Brüssel, um sich von der Geisterfahrerei des Blocks zu distanzieren. Die geplante 50-Milliarden-Euro-Zusage für Kiew stellte er in Frage und hatte nun auch noch die Slowakei mit dem neuen Ministerpräsidenten Robert Fico – im Westen als „Prorusse“ verschrien – an seiner Seite. Orbán hatte zuvor noch eins draufgesetzt und Wladimir Putin beim „Seidenstraßen“-Gipfel in Peking die Hand geschüttelt. Politisch korrekte Reaktion des Luxemburger Ministerpräsidenten Bettel am Freitag: „Was er gemacht hat mit dem Putin, ist ein Stinkefinger für alle Soldaten und die Ukrainer, die jeden Tag sterben und unter russischem Angriff leiden müssen.“ Antwort Orbáns auf X (Twitter): „Wir werden alles tun, um Frieden zu erreichen. Mein Treffen mit dem Präsidenten Russlands diente diesem Ziel.“ Für Israels Krieg gegen Palästina hat der Budapester „Diktator“ dafür um so größeres Verständnis: Geht ja ums Abschlachten von Moslems.

Da stimmte Orbán völlig mit dem überein, was Olaf Scholz in Brüssel durchsetzte: Bedingungslose Unterstützung für Israels Kolonialkrieg. Die 27 EU-Spektabilitäten diskutierten am Donnerstag mehr als fünf Stunden über ihre Haltung dazu. Das Resultat: Alle Forderungen nach Waffenstillstand, wofür Spanien eintrat, oder Formulierungen wie „undifferenziertes Bombardement“ (Emmanuel Macron) kamen nicht in die Abschlusserklärung. Was drin blieb – „humanitäre Korridore“ und „Feuerpausen“ –, lehnte Israel postwendend ab. Kein Problem, Scholz erklärte: „Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten.“ Er habe keinen Zweifel daran, dass „die israelische Armee auch bei dem, was sie macht, die Regeln beachten wird, die sich aus dem Völkerrecht ergeben“. Feministische deutsche Außenpolitik ist eine Lizenz zum Töten.

Prognose: Der Krach ums Geld beherrscht auch den EU-Gipfel im Dezember. Kiew kann seine Hoffnung auf baldige Beitrittsgespräche begraben. Wird alles zu teuer.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Kakophonie in Brüssel", UZ vom 3. November 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit