Kein schöner Anblick

Lucas Zeise zur Wahl in NRW

Das sieht richtig hässlich aus: Die Regierungsparteien (SPD und Grüne) verlieren die Mehrheit an die Parteien rechts davon (CDU, FDP und AfD). Und als zusätzliches Übel verfehlt die Linkspartei trotz mehr als verdoppelter Anzahl an Stimmen ganz knapp den Einzug in den Düsseldorfer Landtag. Das ist eine Fortsetzung der Rechtsentwicklung, die es seit ein paar Jahren in Deutschland und in vielen kapitalistischen Ländern gibt. Die Unzufriedenheit der Wähler mit ihren Regierungen wächst. Aber es gibt kaum oder keine Alternativen. Das politische System wird dadurch für die, die es steuern wollen, weniger berechenbar, aber noch nicht instabil. Die Rechtsentwicklung zeigt sich daran, dass sich nun nicht mehr konservative und sozialdemokratische Regierungen in die Regierungsämter teilen oder sich bei ihrer Ausübung ablösen. Jetzt spielen neben oder statt der Sozialdemokraten – in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Österreich, Italien, Schweiz und eben auch Deutschland – noch rechtere Parteien um die Macht mit.

Der Einzug der AfD in die Landtage und der von den Medien massiv geförderte Wiederaufstieg der FDP ist dafür in Deutschland das sichtbarste Zeichen. Zugleich ist die deutsche Sozialdemokratie dabei, zum dritten Mal hintereinander bei einer Bundestagswahl gar nicht erst den Versuch zu machen, eine von ihr geführte Bundesregierung zur Wahl zu stellen. Der kurze Hype um ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz erinnerte ein wenig daran, wie es wäre, wenn die SPD eigene Politik entwickeln würde. Das Wort „Gerechtigkeit“ machte einem Teil des Wahlvolks den Mund wässrig und schob vorübergehend die rechten Themen Flüchtlinge, Terror und Sicherheit in den Hintergrund. Statt dessen kam auch in den Herrschaftsmedien gelegentlich zum Ausdruck, dass die Kluft zwischen Arm und Reich größer geworden ist.

Wir haben nach der Wahl erfahren, dass sich die bisherige Ministerpräsidentin in NRW eine solche Kampagne für mehr Gerechtigkeit von Herrn Schulz verbeten hat. Sie hatte schließlich den aktuellen Zustand zu vertreten. Das traf auch für Sigmar Gabriel zu, der als SPD-Parteichef und Wirtschaftsminister in Berlin verantwortlich war. Er konnte sich ins scheinbar überparteiliche Außenamt verabschieden. Aber die ganze SPD-Führung war und ist nicht geneigt, auf ihren großen Beitrag zur Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich zu verzichten. Auch die Änderung des Grundgesetzes zur Autobahn- und Schulprivatisierung wird ohne zu zwinkern durchgezogen. Die SPD nimmt lieber Wahlniederlagen in Kauf, als auf die Politik im Interesse des Großkapitals und im Schulterschluss mit den rechten Parteien zu verzichten.

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"Kein schöner Anblick", UZ vom 19. Mai 2017



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