IGH entscheidet im Eilverfahren für Deutschland

Kein Waffenstopp

Am 30. April 2024 erging vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag in der Rechtssache 193/24 „Nicaragua gegen Deutschland“ das Urteil. „Auf der Grundlage der von den Parteien vorgetragenen Sachinformationen und rechtlichen Argumente kommt das Gericht zu dem Schluss, dass bei Berücksichtigung der gegenwärtigen Lage keine einstweiligen Maßnahmen (gegen Deutschland) anzuordnen sind.“

Nicaragua hatte in seinem Eilantrag vom 1. März 2024 den unverzüglichen Stopp der deutschen Waffenhilfe für Israel beantragt. Des Weiteren sollte die Bundesregierung verpflichtet werden, dass bereits an Israel gelieferte Waffen nicht zur Begehung von Völkermord verwendet werden und die am 27. Januar 2024 ausgesetzten Zahlungen an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wieder aufnehmen sind. In seiner 15-minütigen Urteilsverkündung gab Gerichtspräsident Nawaf Salam die tragenden Gründe der Klageabweisung bekannt: Die deutsche Seite habe nachvollziehbar dargelegt, dass ein „dichtes Geflecht“ von Rechtsvorschriften Waffenexporte in Kriegsgebiete „stark einschränke“. Man unterscheide in Deutschland zwischen „Kriegswaffen“ und „sonstigen Rüstungsgütern“, für die erste Kategorie würden zwei Bundesministerien die Erteilung der Exportlizenzen überprüfen. Die Ausfuhr von „Kriegswaffen“ in Kriegsgebiete sei folglich streng reglementiert. Schließlich folgt der Gerichtshof auch den Darlegungen der deutschen Delegation insoweit, dass „98 Prozent der seit dem 7. Oktober 2023 erteilten Genehmigungen sonstige Rüstungsgüter und nicht Kriegswaffen“ betroffen hätten.

Ziffer 19 der Urteilsbegründung hebt darauf ab, Deutschland habe zwar im Januar 2024 die Zahlungen an die UNRWA eingestellt, aber diese Hilfsleistungen seien erstens „freiwilliger Natur“ und zweitens habe die Bundesregierung ihren Beitrag zur Finanzierung des Hilfswerks im Rahmen der Zahlung von 50 Millionen Euro am 1. März durch die Europäische Union geleistet.

Nach der Entscheidung herrschte bei den deutschen Abgesandten gute Stimmung. Die Chefin der Delegation Tania von Uslar-Gleichen: „Wir freuen uns, dass unsere Argumente das Gericht überzeugen konnten.“ Möglichweise hat sich Deutschland zu früh gefreut. Der Leiter des nicaraguanischen Anwaltsteams, Carlos Jose Argüello Gómez, erklärte gegenüber der „Washington Post“, dass Nicaragua das Verfahren weiterbetreiben werde. Was er meint, wird deutlich, wenn man sich den aktuellen Status der IGH-Entscheidung vergegenwärtigt: Nicaragua ist zwar mit dem Eilantrag gescheitert, die Entscheidung in der Hauptsache, in der auch Beweise erhoben werden, steht noch aus. Im Eilantragsverfahren entscheidet das Gericht mit reduziertem Prüfungsumfang und Prüfungsmaßstab. Es darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Am Ende des Urteils wies der IGH deswegen auf das Recht des weiteren Vortrags hin.

Deutschlands Antrag, die Sache komplett aus dem Prozessregister zu nehmen, lehnte der IGH ab. Gleichzeitig sprach er an die Adresse Deutschlands die Warnung aus, dass angesichts der humanitären Katastrophe im Gaza nach Artikel 1 der Genfer Konvention die Verpflichtung besteht, „die Konventionen unter allen Umständen nicht nur einzuhalten, sondern auch ihre Einhaltung sicherzustellen“. Es ist nun an Nicaragua, das Mäntelchen angeblich wiedererlangter Friedfertigkeit Deutschlands herunterzureißen.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Kein Waffenstopp", UZ vom 10. Mai 2024



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