Erneut Warnstreiks gegen Überlastung

Krankenhauspersonal am Limit

Von Herbert Schedlbauer

Offensiv und mit Nachdruck

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zog nach dem 10. und 11. Oktober eine positive Zwischenbilanz der Streiks für einen Tarifvertrag Entlastung in Krankenhäusern. Beschäftigte in sechs Kliniken waren in einen 48-stündigen Ausstand getreten. Erstmals hatten sich auch Beschäftigte eines konfessionellen Krankenhauses, der Marienhausklinik Ottweiler (Saarland), dem Streik angeschlossen. Zuvor hatte die Klinikleitung erfolglos versucht, die Arbeitsniederlegung mit der Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu verhindern.

Auch in den Kliniken, die sich nicht im Streik befunden hätten, sei der Druck durch die Beschäftigten erhöht worden. Parallel hätten an den beiden Tagen Aktionen in zahlreichen Häusern stattgefunden. „Die Beschäftigten sind nicht länger bereit, den Personalmangel auf Kosten ihrer Gesundheit auszugleichen“, so Sylvia Bühler, das für Gesundheitspolitik zuständige ver.di-Bundesvorstandsmitglied.ver.di/UZ

Mit dem 48-stündigen Warnstreik machten rund 600 Beschäftigte der Universitätsklinik Düsseldorf (UKD) am 10. und 11. Oktober klar, dass die Arbeitsbelastungen unerträglich sind. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) will für die Beschäftigten einen „Tarifvertrag Entlastung“ durchsetzen. Gefordert werden bessere Arbeitsbedingungen. Hintergrund ist die seit Jahren miserable Personalbesetzung, die auf Kosten der Gesundheit des Personals und der Patienten geht. Der Arbeitskampf richtet sich gleichzeitig gegen zahlreiche Ausgliederungen an Fremdfirmen.

Betroffen vom Streik waren Operationssäle, Anästhesie und Ambulanzen, Krankentransporte und Essensversorgung. Bereits am 19. September hatte es in zahlreichen Kliniken der BRD Warnstreiks mit der gleichen Zielsetzung gegeben. „Der eintägige Warnstreik im September hat den Vorstand der Uniklinik nicht einmal zu einem Gespräch über die desolate Lage bewegt. In Düsseldorf verstecken sich die Verantwortlichen hinter ihrer Verbandsmitgliedschaft, statt mit der Gewerkschaft zu sprechen“, erklärte Gewerkschaftssekretär Jan von Hagen gegenüber unserer Zeitung. Patienten brauchen eine würdevolle und menschliche Pflege. Stress sei bei den Beschäftigten zum Dauerzustand geworden. Resignation, gefährliche Pflege und vielfältige Gefährdung der Gesundheit seien die Folge. „Die Kolleginnen und Kollegen wollen unter solchen Bedingungen nicht mehr arbeiten“, so von Hagen weiter.

Nach Auffassung des ver.di-Sekretärs habe die „Komplettverweigerung“ der Verantwortlichen des UKD zwangsläufig neue Warnstreiks zur Folge, zumal die Klinikleitung die Belastungssituation der Beschäftigten negiere.

Am Streik beteiligten sich auch die Beschäftigten der beiden Tochtergesellschaften GKD und UKM des Universitätsklinikums. Deren Arbeiten betreffen die Reinigung, die Sterilisation der OP-Instrumente, den Krankentransport und die Essensversorgung. Für sie gibt es gar keinen Tarifvertrag. Lohnunterschiede von bis 600 Euro für die gleiche Tätigkeit sind die Folge dieser Ausbeutung.

Auf zwei beeindruckenden Streikversammlungen schilderten Betroffene ihren Arbeitsalltag. Eine Krankenschwester aus der Inneren Medizin bestätigte gegenüber „unsere zeit“, dass die Patienten nicht mehr angemessen versorgt werden. Früher habe man „auf jeden einzelnen Patienten eingehen können.“ Und weiter mit stockender Stimme „… dafür habe ich mal Krankenschwester gelernt. Um den Menschen zu helfen“.

Thomas Zmrzly, OP-Pfleger: „Es kann sein, dass wir ohne Unterbrechung bis zu acht Stunden am OP-Tisch stehen.“ Dies funktioniere nur, weil die Kolleginnen und Kollegen tausendprozentig bei der Sache seien. Und mit unzähligen Überstunden.

Im Streiklokal wiesen mehrere Streikende auf Drohanrufe von Vorgesetzten hin. Sie sollten umgehend wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Martin Körbel-Landwehr, Personalratsvorsitzender des UKD, sagte dazu unter starkem Applaus, diese Anrufe müssten nicht angenommen werden. Mache man es doch, solle man sagen man sei der falsche Ansprechpartner. „Wenden Sie sich an die Streikleitung.“

Konkret fordert ver.di für die Klinikbeschäftigten die Festlegung einer Mindestpersonalausstattung im Tarifvertrag sowie Regelungen zum Belastungsausgleich. Zudem will die Gewerkschaft die Ausbildungsqualität verbessern. Beispielsweise durch die Freistellung der Ausbilder für die Zeit der praktischen Anleitung. Laut ver.di würden immer mehr Auszubildende für die miserablen Arbeitsbedingungen für Personalengpässe herangezogen.

Getrennt von dieser Tarifbewegung will ver.di auf politischer Ebene verbindliche Personalvorgaben per Gesetz durchsetzen. Nach Berechnungen der Gewerkschaft müsste es für eine gute und sichere Versorgung 162 000 Stellen in Krankenhäusern mehr geben, davon 70000 Pflegefachkräfte.

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"Krankenhauspersonal am Limit", UZ vom 20. Oktober 2017



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