Kultursplitter

Von Herbert Becker

„Lola“ Filmpreise

Das Spektakel der Gala zu den Filmpreisen ist eher ein bemühter Abklatsch vergleichbarer US-Veranstaltungen. Dennoch ist eines positiv zu vermerken, denn erstmals ging die Mehrzahl aller Auszeichnungen an weibliche Filmschaffende. Den Hauptpreis bekam – fast unvermeidlich – der Film „Toni Erdmann“ der Regisseurin Maren Ade. Insgesamt räumte der Film sechs Preise ab.

Dass Filme den Anspruch auf politische Schlagkraft besitzen können, zeigte sich bei der „Lola“ für den besten Dokumentarfilm an. „Cahier Africain“ von Heidi Specogna beschäftigt sich mit Frauen, die von kongolesischen Rebellen vergewaltigt wurden: „Wen kümmert es, wenn ich sterbe, sagte eine der Frauen zu mir. Mich kümmert es! Deswegen machen wir Dokumentarfilme.“ Dass der Ehrenpreis in diesem Jahr an Monika Schindler und damit an eine Editorin (früher hießen sie Cutter oder Schnittmeister) ging, ist lange überfällig. Den peinlichen Höhepunkt der Gala hatte sich die Staatsministerin Monika Grütters vorbehalten. Sie hatte doch fast die „Filmwirtschaft“ in ihrer Rede vergessen – deswegen findet das Ganze überhaupt statt – und haspelte einen Satz hinterher.

Freilassung

Der iranische Filmregisseur Keywan Karimi hat nur fünf Monate seiner einjährigen Haftstrafe ableisten müssen, der 31-jährige Regisseur, der unter einer Knochenerkrankung leidet, war zuvor bereits mehrfach wegen einer Bronchitis sowie einer akuten Lungenentzündung auf die Krankenstation des Teheraner Gefängnisses verlegt worden. Außerdem seien ihm 223 Peitschenhiebe erspart geblieben, so er selbst nach seiner Freilassung. Karimi war im vergangenen Jahr wegen Religionsbeleidigung verurteilt worden. Grund war ein von ihm 2015 gedrehter Film über politische Graffiti im Iran von der Revolution 1979 bis zur umstrittenen Wahl 2009. Der internationale PEN hatte sich sehr für Karimi eingesetzt und gefordert, Karimis Verurteilung aufzuheben. Zudem machte der PEN die Androhung der Auspeitschung zum Thema, da sie gegen das absolute Folterverbot des Völkerrechts verstößt.

Endlich, aber reichlich spät

Man reibt sich die Augen bei dieser Nachricht: Erst jetzt gibt es in Deutschland eine Professur, die sich hauptsächlich mit dem Holocaust, der millionenfachen, systematischen Vernichtung von Juden aus ganz Europa durch den deutschen Faschismus, beschäftigt.

Die Historikerin Sybille Steinbacher übernimmt die bundesweit erste Holocaust-Professur an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihre Aufgabe ist die Erforschung von Geschichte und Wirkung dieses singulären Verbrechens. Sie ist Mitglied des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats des Simon-Wiesenthal-Instituts für Holocaust-Studien. Die 1966 in München geborene Steinbacher hatte zuletzt an der Universität Wien Zeitgeschichte gelehrt. Sie gilt als renommierte Expertin auf dem Gebiet der Holocaust-Forschung und hat mehrere umfangreiche Monographien, besonders über Auschwitz, veröffentlicht. Die Professur ist im Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften angesiedelt. Der neue Lehrstuhl ist zudem mit der Leitung des Fritz-Bauer-Institutes in Frankfurt verbunden, das den Holocaust erforscht und dokumentiert.

PEN hat eine neue Präsidentin

Die neue Präsidentin der Schriftstellervereinigung PEN, Regula Venske, hat angekündigt, dass ihre Organisation sich weiterhin intensiv für Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte engagieren will. Bisher war Venske als Generalsekretärin für den Verband tätig, ihre letzten Bücher liegen – vielleicht deshalb? – schon einige Jahre zurück. Auf die gerade zu Ende gegangene Tagung in Dortmund kommen wir noch zu sprechen.

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Kultursplitter", UZ vom 5. Mai 2017



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