Ramstein schafft es in die Schlagzeilen

NATO will Russland schwächen

Klaus Hartmann

In den letzten Jahren wurde das pfälzische Ramstein nahe Kaiserslautern immer wieder mal kurz in den Medien erwähnt, wenn die Präsidenten Obama oder Trump bei Reisen in oder aus ihren zahlreichen Kriegsgebieten auf „ihrem pfälzischen Territorium“ zwischenlandeten. Noch seltener schafften es die Friedensaktivisten von „Stopp Airbase Ramstein“ mit ihren regelmäßigen Demonstrationen für die Schließung der Kriegsdrehscheibe in die überregionale Berichterstattung.

Nun wurde der Ortsname tagelang international kolportiert, weil sich dort neues Unheil zusammenbraute: Am 26. April fanden sich Kriegsminister aus über 40 Ländern in der heimeligen Atmosphäre der Ramstein-Air-Base ein, um weitere Schritte im NATO-Krieg gegen Russland zu vereinbaren, den ihre willigen Stellvertreter in der Ukraine führen. Es ist die personell stärkste Einrichtung der US-Luftwaffe außerhalb der USA mit den Hauptquartieren der US-Luftwaffe Europa und US-Luftwaffe Afrika sowie des NATO-Kommandos „Allied Air Command“.

Der gastgebende Pentagon-Chef Lloyd Austin verkündete als neues Kriegsziel der Allianz die entscheidende Schwächung Russlands und lobte seine deutsche Kollegin Lambrecht, die willfährig und beflissen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland verkündete. Dabei wischte Austin die Warnung des russischen Außenministers Sergej Lawrow vor der realen Gefahr eines Dritten Weltkrieges kurzerhand als „sehr gefährlich und wenig hilfreich“ vom Tisch, und schloss „einen künftigen NATO-Beitritt der Ukraine nicht aus“.

Doch die Gefahr eines Atomkrieges ist realer, als es viele wahrhaben wollen. Weitgehend öffentlich unbeachtet wurde am 8. November 2021 in der Wiesbadener Lucius-D.-Clay-Kaserne das 56. Artillerie-Kommando reaktiviert, Oberkommando aller Artillerieeinheiten der US-Armee in Europa und Afrika. Seit 1986 für die in Europa stationierten US-Atomraketen Pershing-2 und Cruise-Missiles zuständig, wurde es 1991 nach dem INF-Vertrag (Abzug aller landgestützten atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen) deaktiviert und ist jetzt wieder zuständig für das atomar bestückbare „THAAD“-Raketensystem.

Unter US-Präsident Obama wurde die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen (täuschender Name „Raketenabwehrschild“) beschlossen, nach Stationierungsreife wurde von Präsident Trump der INF-Vertrag gekündigt. Auf Kriegsschiffen, in Rumänien und Polen wurde das Aegis-Kampfsystem, das auch Atomraketen abschießen kann, stationiert. Diese weithin unbemerkte Rückkehr der Atomkriegsgefahr nach Europa wird dadurch verstärkt, dass die Kommandozentrale für die neuen US-Raketen ebenfalls in Ramstein steht.

Zur deutschen Kriegsteilhabe gehört, dass die Bundesregierung 50 neue F-35-Tarnkappenjets anschaffen will, mit denen sich die US-Atomwaffen vom Fliegerhorst Büchel (bei Cochem/Mosel) gen Osten fliegen lassen. Flugzeuge dieses Typs der US-Luftwaffe und weitere Kampfflugzeuge wurden schon Mitte Februar 2022 von den USA nach Spangdahlem (bei Trier) verlegt und von hier und von Ramstein aus weiter an die russische Grenze. Der vom Westen vorsätzlich und ständig verschärfte Konflikt mit Russland kann urplötzlich zu einem Atomkrieg eskalieren – mit fatalen Folgen nicht nur für die Bewohner von Wiesbaden, Ramstein, Büchel und Spangdahlem.

An einem Freidenker-Infostand zum 1. Mai berichtete eine Frau von ihrer Familie in Wittlich in der Eifel, über die in den letzten Tagen ständig Kampfflugzeuge in niedriger Höhe hinwegdonnern – ihre Enkel laufen weinend ins Haus und schließen sich in ihr Zimmer ein, weil sie „Angst vor dem Krieg haben“. Es scheint, die Kinder haben mehr Verstand als die Politiker, die durch die Bank ihren Amtseid brechen. Wie sagte Emil Carlebach? „Wir leben in einem Verbrechersystem.“

Unser Autor ist Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes und aktiv bei der Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“

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"NATO will Russland schwächen", UZ vom 6. Mai 2022



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