Portugal: Erste Schritte der sozialistischen Regierung

Neue Phase, gleicher Kampf

Von Lonha Heilmair, Lissabon

Seit Ende November ist in Portugal die Sozialistische Partei (PS) an der Regierung – mit Unterstützung der Kommunisten. Bislang wurden durch die neue Parlamentsmehrheit einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, darunter die Rücknahme unlängst geschaffener finanzieller und auf moralischem Druck basierender Hürden zur Wahrnehmung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch, die Erhöhung des nationalen Mindestlohns, die Rückkehr zur 35-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst, die Rücknahme von Lohnkürzungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst und in staatlichen Betrieben, die schrittweise Abschaffung der Zusatzbesteuerung von Löhnen und Gehältern und die Wiedereinführung der 2011 gestrichenen vier Feiertage. Das Ende der Privatisierungen sowie der Abbruch der Privatisierungsprozesse bei der Fluggesellschaft TAP und den Verkehrsbetrieben von Lissabon und Porto sind weitere Maßnahmen, die Bestandteil der Abkommen zwischen PS und Portugiesischer Kommunistischer Partei (PCP) und teilweise auch den anderen im Parlament vertretenen linken Parteien sind.

Bereits nach diesen ersten Schritten der Regierung zeigt sich, dass das Kapital und seine politischen Vertreter – zu denen ja auch die PS grundsätzlich gehört – versuchen werden, einen umfassenden Bruch mit der bisherigen Politik zu verhindern. Das Ringen um die Rücknahme der Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst – sofort, wie die Kommunisten fordern, oder nach und nach, wie die Sozialisten zugestehen – sind dafür ein erstes Beispiel. Ein weiteres ist der Skandal um die Bank BANIF, deren bevorstehender finanzieller Absturz von der vorherigen Regierung verschleiert worden war und jetzt die PS-Regierung zu einer Rettungsmaßnahme veranlasste, die den Staatshaushalt zusätzlich mit bis zu 3 Milliarden Euro belasten wird. Die PCP verurteilte dieses Vorgehen und lehnte den entsprechenden Nachtragshaushalt im Parlament zusammen mit dem Linksblock (Bloco de Esquerda, BE), den Grünen und rechtspopulistischen „Zentristen“ der CDS-PP ab – die Bank wurde mit den Stimmen von PS und der Enthaltung der rechtsliberalen Sozialdemokraten (PSD) aufgefangen.

Die PS konnte an die Regierung gelangen, weil bei den Wahlen Anfang Oktober das rechte Bündnis von PSD und CDS-PP, das zuvor regiert hatte, seine absolute Mehrheit verloren hatte. Die PS, der Linksblock und das Bündnis CDU (Coligação Democrática Unitária – „Demokratisches Einheitsbündnis“) aus PCP und Grünen gewannen dagegen Stimmen hinzu – genug, um die Ablösung der alten Regierung möglich zu machen.

Den auslösenden Schritt in diese Richtung unternahm die PCP und ihr Generalsekretär Jerónimo de Sousa: Sie erklärte sich bereit, mit den Sozialisten in Verhandlungen zu treten. Das Ziel der Gespräche sollte sein, die Bildung einer rechten Minderheitsregierung zu verhindern und den Antritt einer von der PS gebildeten oder geführten Regierung zu ermöglichen – eine Beteiligung der PCP an dieser Regierung stand nicht zur Debatte. Linksblock und Grüne folgten nach, der PS-Vorsitzende António Costa griff die Initiative auf, die Parteien erarbeiteten einen Konsens über die dringlichsten Aufgaben. Den rechten Kräften gelang es nicht, die PS-Regierung zu verhindern – obwohl sie es mit antikommunistischer Hysterie und undemokratischen Manövern des Staatspräsidenten Cavaco Silva versuchten.

Gerade weil der scheidende Präsident sich als eine zuverlässige Stütze der rechten Politik erwiesen hatte, hat die Wahl des neuen Präsidenten am 24. Januar eine besondere Bedeutung. Die PCP hat einen eigenen Kandidaten aufgestellt: Den Theologen und ehemaligen katholischen Priester Edgar Silva, der seit 1998 der PCP angehört. Der portugiesische Präsident hat – neben überwiegend repräsentativen Aufgaben – einige entscheidende Kompetenzen, so nominiert er beispielsweise den Ministerpräsidenten und kann das Parlament auflösen.

Die PCP unterstützt die PS-Regierung, weil sie – trotz der begrenzten Möglichkeiten und trotz der schädlichen Rolle, die die PS in der Vergangenheit gespielt hat – davon ausgeht, dass diese Regierung mindestens die schlimmsten Auswüchse der verheerenden Politik der vergangenen Jahre beseitigen könne. „Die Politik des Landes ist in eine neue Phase eingetreten, mit besseren Bedingungen, um vielen der drängenden Probleme der Arbeiter und des portugiesischen Volkes zu begegnen“, schätzte das ZK der Partei im Dezember ein.

Nun geht es für die Kommunisten und die gesamte Arbeiterbewegung darum einzufordern, dass die PS-Regierung ihre Zusagen auch einhält. Zahlreiche Streiks für Lohnerhöhungen, Wiederherstellung der Zusatzleistungen an Feiertagen und bei Überstunden, für strukturelle Maßnahmen wie bei der Eisenbahn, haben die letzten Wochen des vergangenen Jahres geprägt. Arménio Carlos, der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes CGTP-IN, erklärte nach dem Amtsantritt der PS-Regierung: „Geschenkt wurde uns nie etwas und wird es auch künftig nicht werden.“

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"Neue Phase, gleicher Kampf", UZ vom 15. Januar 2016



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