Zu ­Charité und Vivantes

Nicht akzeptabel

Heiko Schmidt

In der dritten Streikwoche in der Charité, bei Vivantes und den Vivantes-Tochterfirmen steht die Entscheidung noch aus. Viele hatten gehofft, dass spätestens zur Wahl verhandlungsfähige Angebote vorliegen.

Die Berliner Krankenhausbewegung hatte den Wahlkampf für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus genutzt, um den Druck auf die Spitzen der Senatsparteien SPD, Grüne und Linke zu erhöhen und damit eine stärkere Position gegenüber den Klinikleitungen der landeseigenen Krankenhäuser zu haben. In der Nacht vor den Wahlen verliefen die Verhandlungen für alle Betriebe wieder ergebnislos und wurden abgebrochen.

Bei den Vivantes-Tochterfirmen steht nach wie vor nur das Angebot, erst 2028 ein ähnliches Lohnniveau wie im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) geregelt, zu erreichen. Und auch dies würde nur eingeschränkt gelten und nicht mit der Struktur des TVöD. Dazu kämen sieben Jahre Friedenspflicht. Das lehnt die ver.di-Tarifkommission ab.

Die Vivantes-Geschäftsführung will in der Pflege zwar Personalbemessung und Regulierung von Überlastungen zulassen – seit dem 21. September führt Vivantes mit ver.di intensive Expertengespräche zum Thema „Entlastung der Pflege“ –, sperrt sich aber gegen Konsequenzen, wie beim Umfang der Mindestbesetzungen.

Es sei nicht möglich, 2.800 Fachkräfte einzustellen, so die Geschäftsführung.Für die Charité ergeben die von ver.di veranschlagten Zahlen 1.200 benötigte Neueinstellungen, die Gegenseite will nur 700. Im Bereich der Ausbildung signalisierte sie ein Entgegenkommen: Es soll drei neue Ausbildungsstationen und eine Ausbildungs-Intensivstation geben. Dennoch soll auf den Normalstationen eine Pflegekraft nachts bis zu 20 Patienten betreuen. Auch das war nicht akzeptabel.

Der Streik geht also weiter. Im Unterschied zu anderen Tarifauseinandersetzungen haben die Beschäftigten von Charité und Vivantes ihre Streikbewegung auf breiter Basis angelegt. Teamdelegierte informieren die Tarifkommissionen über die Forderungen und Positionen ihrer Teams. Und sie entscheiden über das weitere Vorgehen der Tarifkommissionen mit. Außerdem wurden von Anfang an externe Unterstützer, Gruppen und Einzelpersonen in Diskussionen und die Mobilisierung zu den vielfältigen Aktionen einbezogen.

Wahlsiegerin Franziska Giffey (SPD) hatte sich in ihren Stellungnahmen zu den Kliniken niemals auf eine konkrete Unterstützung der Streikenden eingelassen. In Reaktion auf eine Anfrage bei abgeordnetenwatch.de betonte Giffey, dass sie mit allen Seiten im Austausch stehe. Entlastung für die Beschäftigten sei ihr Ziel. Sie kündigte an, auf der Streikkonferenz am 28. September präsent sein zu wollen – dort soll über den Fortgang des Streiks entschieden werden. Abhängig von dem, was bis dahin von den Klinikleitungen an möglichen weiteren Zugeständnissen auf dem Tisch liegt, wird der Streik heruntergefahren oder nicht.

Ein erfolgreicher Streik wäre beispielhaft für die gesamte Klinikbranche. Bereits vor irgendeiner Entscheidung steht in anderen Kliniken zur Diskussion, welche Ausstrahlung dieser Kampf um TVöD und Entlastung haben wird. Methoden des Organizing sind in dieser Streikbewegung umfassend angewendet worden. Maßstäbe zur Bemessung von Mindestbesetzungen und zur Regelung des Ausgleichs von Überlastungen werden breit diskutiert. Eine mehrstufige politische Kampagne wurde gut organisiert durchgeführt und mündete in einen großen Streik, der über Wochen aufrechterhalten wird. Nach den erfolgreichen Abschlüssen von Entlastungstarifverträgen in Mainz und Jena wären Charité und Vivantes der nächste Meilenstein auf dem Weg zu besseren Arbeitsbedingungen in den Kliniken.

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"Nicht akzeptabel", UZ vom 1. Oktober 2021



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