Portugiesische Kommunisten: Bereit zur Regierungsbeteiligung – wenn das den Kampf voranbringt

Nicht in die Falle gehen

Von Jürgen Lloyd

Wenn die Sozialistische Partei einen Bruch mit der rechten Politik will, gibt es nichts, was sie daran hindern wird, loszulegen und sich auf eine Regierungsbildung einzustellen.“ Dies erklärte die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) nach den Parlamentswahlen am 4. Oktober. Und mit dieser Feststellung erklärte die PCP auch ihre Bereitschaft, „jede Verantwortung zu übernehmen – eingeschlossen die Mitwirkung an einer Regierung – die notwendig ist, um eine Politik durchzuführen, die mit dem bisherigen Kurs bricht.“

Dieser bisherige Kurs ist den Interessen des Monopolkapitals und der kapitalistischen europäischen Integration untergeordnet. Er wurde während der letzten Jahrzehnte exekutiert von wechselnden Regierungen der sozialdemokratischen PS, der konservativ-liberalen PSD und des konservativen CDS. Für Portugal brachte er ökonomischen Niedergang, sozialen Rückschritt und Abhängigkeit von den in der EU vorherrschenden Staaten. Diese Politik – so die PCP – unterminierte die in der Verfassung beschriebene demokratische Ordnung. Die offiziellen Angaben zur Arbeitslosenquote konstatierten zwar vor der Wahl einen Rückgang von 17,8 Prozent in 2013 auf 13,5 Prozent, eine weniger geschönte Studie der Universität Coimbra (welche z. B. unbezahlte Praktika nicht als „neu geschaffene Arbeitsplätze“ zählt) weist jedoch eine tatsächliche Arbeitslosenquote von 29 Prozent aus.

Die Wahl vor drei Wochen hat den regierenden Konservativen den Verlust ihrer bisherigen absoluten Mehrheit gebracht. Die PS kam auf 32%, der linkspluralistische Bloco de Esquerda, Mitglied der Europäischen Linkspartei, gewann – wohl nicht zuletzt dank einer sehr intensiven Begleitung durch die portugiesischen Medien – deutlich hinzu, kam auf 10 Prozent und konnte die Kommunisten überholen. Das Wahlbündnis der PCP gewann leicht hinzu und kam auf 8,25 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Eine Regierungsbeteiligung von Kommunisten unter kapitalistischen Verhältnissen war stets eine umkämpfte Frage. Der Staat hört ja nicht auf, Staat der herrschenden Klasse, Organisationsform der monopolkapitalistischen Herrschaft zu sein, weil eine Kommunistische Partei an einer Regierung beteiligt wird, welche jener Herrschaft die Geschäfte führt. Nun mag es ja sein, dass Kommunistinnen und Kommunisten in allem besser sind – selbst dabei, diesen Job zu machen. Aber dies entspricht sicherlich nicht der wörtlich not-wendigen Aufgabe einer Kommunistischen Partei. Die liegt eben nicht darin, den Kapitalismus besser zu verwalten, sondern ihn zu überwinden. Verbietet sich aber deswegen für uns eine Regierungsbeteiligung? Nein – es kommt auf die konkrete Situation an und insbesondere darauf, wozu diese genutzt wird. Wenn mit unserer Hilfe Verbesserungen durchgesetzt werden können, ist das gut. Wenn Kommunisten dabei aber meinen, die Erreichung dieser Verbesserungen sei das Ziel, sind sie keine Kommunisten mehr. Sie haben ihre Politik auf Reformen beschränkt und sind damit zur politischen Gattung der Sozialdemokraten übergetreten.

Statt in diese Falle zu laufen, weist die PCP jedoch darauf hin, dass eine Politik zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung notwendigerweise auch zu Folgerungen bei weiteren Fragen führt, wie der öffentlichen Kontrolle über strategische Wirtschaftsbereiche, die Neuverhandlung der Schulden und der Beseitigung anderer äußerer Restriktionen für die Entwicklung des Landes. Damit lässt sie ihren Willen erkennen, nicht vor den Sachzwängen des kapitalistischen Systems zu kapitulieren, sondern die faktischen Widersprüche dieses Systems zu verwenden, um den Kampf gegen diese Zwänge aufzunehmen und weiterzutreiben. In der strategischen Perspektive dieses Wegs liegen dann nicht das Einrichten im bestehenden System und die Einbindung in dessen Mitverwaltung, sondern die Orientierung der Menschen auf die Fortführung des Kampfs bis zur Überwindung des Ausbeutersystems. Auch so lässt sich die Bestimmung aus dem Manifest verstehen, die Kommunisten seien die „immer weitertreibende“ Kraft. Wenn es der PCP gelingt, im Kampf um den Bruch mit der bisherigen Politik, im Kampf um eine Politik, die den Bedürfnissen der Menschen entspricht, als diese Kraft zu agieren, dann steht eine lehrreiche und aufregende Zeit bevor.

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"Nicht in die Falle gehen", UZ vom 23. Oktober 2015



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