Jugendverbände in Österreichs zu Schadensersatz für Demo verurteilt

Nicht zu akzeptieren

Von Marco Hiebel

Informationen zur Kampagne und dem weiteren Prozessverlauf unter

www.linz-gegen-rechts.at

Im Jahr 2016 fand im oberösterreichischen Linz eines der größten rechtsextremen Vernetzungstreffen im deutschsprachigen Raum statt. Unter dem Titel „Verteidiger Europas“ versammelte sich in prunkvollen Räumlichkeiten des Landes die Elite der ultrarechten Szene und unter anderem hielten Björn Höcke (AfD) und der spätere Innenminister Österreichs, Herbert Kickl (FPÖ), eine Rede. Das Bündnis „Linz gegen Rechts“ organisierte dagegen Widerstand.

Nun sollen die Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ) und die Sozialistische Jugend Oberösterreich

(SJ OÖ) bestraft werden. Nicht, weil sie sich irgendeines Verbrechens schuldig gemacht hätten, sondern weil die beiden Jugendorganisationen die Gegendemonstration für das antifaschistische Bündnis angemeldet hatten. Sie sollen als Demo-Anmelderinnen dafür geradestehen, dass eine unbekannte Person aus der Demonstration heraus einen Farbbeutel auf die Hausfassade des Lokals „Josef das Stadtbräu“ und des darüber liegenden Palais des Kaufmännischen Vereins geworfen hatte. Dafür sollen sie nun 23 263,45 Euro zahlen.

Am 19. Juni 2019 wurde das schriftliche Urteil des Bezirksgerichts Linz übermittelt. Im Namen der Republik: Schuldig. 14 243,02 Euro Schadenersatz sollen die Kläger erhalten, hinzu kommen weitere 9 020,42 Euro Verfahrenskosten, die von den Jugendorganisationen beglichen werden müssen. Noch nicht eingerechnet sind dabei die eigenen Anwaltskosten der Angeklagten.

Obwohl das Bezirksgericht Linz selbst zugibt, dass den Demonstrationsanmelderinnen „in organisatorischer Hinsicht nichts vorzuwerfen war“, sollen sie zahlen. Dieses Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, würde also bedeuten, dass jede Person oder Organisation, die eine Demonstration in Österreich anmeldet, mit einem Fuß in der Privatinsolvenz steht. Denn jeder Schaden, der bewusst oder unbewusst von völlig fremden Menschen verübt wird, könnte dem Anmelder einer Demonstration angelastet werden. Die Versammlungsfreiheit würde dadurch nicht nur eine Frage der Brieftasche, sondern vollständig ausgehebelt werden.

Aus diesem Grund werden die beiden Jugendorganisationen dieses Urteil nicht akzeptieren und gehen in Berufung. „Das Recht auf Verhandlungsfreiheit ist eines unserer wichtigsten demokratischen Rechte! Wenn wir dieses Gerichtsurteil akzeptieren würden, würden wir auch akzeptieren, dass dieses Grundrecht massiv beschnitten und angegriffen wird. Das können und wollen wir nicht zulassen!“, zeigt sich Raffael Schöberl, Bundesvorsitzender der Kommunistischen Jugend Österreichs, kämpferisch. „Da uns die gesamtpolitische Tragweite dieses Urteils bewusst ist, werden wir in Berufung gehen.“

Sollte das erstinstanzliche Urteil auch am Landesgericht Linz halten, steht den beiden Jugendorganisationen jedenfalls ein langer juristischer Prozess bevor. Und dieser kostet Geld. Geld, das die beiden Jugendorganisationen im Gegensatz zu den klagenden Parteien nicht haben. Um sie in ihrem weiteren Gerichtsprozess zu unterstützen, hat das Bündnis „Linz gegen Rechts“ eine Spendenkampagne unter dem Titel „Demokratie in Gefahr: Versammlungsfreiheit verteidigen!“ ins Leben gerufen. Mit dem gesammelten Geld sollen die Anwalts- und Verfahrenskosten von SJ OÖ und KJÖ gedeckt werden.

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"Nicht zu akzeptieren", UZ vom 12. Juli 2019



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