KPD-Verbot 1956 bleibt ein aktuelles Thema

Nur eine Episode im Kalten Krieg?

Von Walter Bauer

Das KPD-Verbot ist nicht nur Geschichte

Seminar an der Karl-Liebknecht-Schule zur Vorbereitung des 60. Jahrestages des KPD-Verbots (1956).

Sa. 28. Nov. und So. 29. Nov. 2015

Ohne Annullierung des KPD-Verbots keine Demokratie!

60 Jahre KPD-Verbot und Ausbau der politischen Repression.

Über das KPD-Verbot 1956 und die weiteren staatlichen Repressionen in der Bundesrepublik wurde schon vieles und aus unterschiedlichen historischen, politischen und juristischen Perspektiven geschrieben. Das Seminar entwickelt seine Perspektive aus diesen Dokumenten und den Anforderungen heute. Es ist dazu notwendig, die eigenen Erfahrungen der DKP und der heutigen linken Bewegungen mit in die Analyse einzubeziehen. Ziel ist nebenbei, auch Material für eine Broschüre zum KPD-Verbot zusammenzustellen. Es ist keine juristische bzw. historische Fachtagung, sondern ein Seminar auch für junge Genossinnen und Genossen.

Veranstalter des Seminars ist die AG Parteiengeschichte in der Geschichtskommission der DKP.

Um rechtzeitige Anmeldung wird gebeten. Die Anreise kann bereits Freitag zwischen 17.00 und 22.00 erfolgen.

Beginn ist Samstag 10.30 Uhr.

Ende ist Sonntag gegen 15.00 Uhr.

Kosten pro Person für Unterkunft und Verpflegung 25,- Euro. Ab Freitag 30.- Euro. Finanzierung bitte mit der Parteigruppe, dem Kreis oder Bezirk abklären.

Anmeldung unter www.karl-liebknecht-schule.org

Parteiverbote gegen Links beginnen bekanntermaßen mit den Sozialistengesetzen im 19. Jahrhundert und werden heute noch durch das weiterhin bestehende KPD-Verbot von 1956 praktiziert. Diese bundesdeutsche Realität, das seit 1956 ununterbrochen geltende Verbot der KPD (mit seinen juristischen und politischen Konsequenzen), ist den meisten Linken in Deutschland nicht so deutlich bewusst. Das ist auch ein Grund dafür, dass das Bemühen der Betroffenen, auf parlamentarischem und juristischem Wege für eine juristische und politische Rehabilitierung der KPD und die von der damaligen Justiz Verfolgten zu entschädigen und ihnen ihre entzogenen Rechte wieder zu geben, bis heute leider nicht den wirksamen gesellschaftlichen Druck entwickeln konnte.

Seit der Gründung der KPD in der Aufbauzeit, aber auch in der Zeit als Massenpartei (1918/19 bis 1933) wurde das legale Arbeiten immer durch Zeiten des Verbots bzw. Teilverbote eingeschränkt. Nach 12 Jahren der härtesten faschistischen Illegalität und Verfolgung (1933–1945) gab es für die Gestaltung eines antifaschistischen und demokratischen Deutschlands, das in den KZs und Gefängnissen immer wieder diskutiert und erhofft wurde, nur eine kurze Zeit des legalen Wirkens (1945 bis 1956). 1956 begann wiederum rund 12 Jahre (bis 1968) eine Zeit ohne legale kommunistische Partei im Westen Deutschlands. Die offene Westorientierung, die Hetze gegen die SED/DDR und die Gleichsetzung „KPD ist SED“ konnte sich frei entfalten und wirken.

Das KPD-Verbot bedeutete nicht nur Repression gegen eine Organisation (Organisationsverbot). Unter den Begriff „KPD-Verbot“ fallen auch das FDJ-Verbot, die Prozesse gegen Friedens- und antimilitaristische Bewegungen. Es gab eine massenweise und zielgerichtete Repression gegen Personen, ihre Ideen und ihr Handeln. Ziel war es, durch Mehrfachbestrafung und hohe Strafen die Betroffenen sozial zu schädigen und ihnen ihre Bürgerrechte abzuerkennen. Davon zeugen die vielen Biographien aus dieser Zeit. Es ist offensichtlich. Es ging und es geht auch heute nicht alleine um das Verbot von Organisationen, es geht um die Ausmerzung alternativer, sozialistischer und kommunistischer Gesellschaftsvorstellungen und -theorien. In diesem Fall ging es zudem um den massiven und organisierten Widerstand gegen Remilitarisierung, gegen die weitere Spaltung Deutschlands und um soziale Kämpfe.

1954 fand der letzte legale Parteitag der KPD in Hamburg statt, ca. drei Jahre nach dem Verbotsantrag. Der Prozess war wieder einmal ausgesetzt worden. In den fünf Jahren zwischen Verbotsantrag und Urteil, bei schwebendem Verfahren und der damit verbundenen Unsicherheit, setzte die Partei auf die Verstärkung der öffentlichen Aktivitäten.

Auf dem Parteitag wurde eine Grußbotschaft von den im Gefängnis sitzenden Mitgliedern des Parteivorstandes Fritz Rische und Josef Ledwohn verlesen. „… Die Bundesregierung bedroht im Namen der Kriegsinteressenten, der Spalter Deutschlands, die Freiheit unserer Partei. Aber die Mitglieder und Funktionäre in den Betriebsgruppen und Ortsgruppen haben in der Vorbereitung des Parteitages die Aufklärungsarbeit unter den Massen verstärkt, die Partei ideologisch gefestigt und im Ernst-Thälmann-Aufgebot viele neue Mitglieder gewonnen. Wir rufen den erfolgreichen Genossinnen und Genossen zu, bravo Genossen, Ihr macht es richtig. Wenn die Imperialisten unsere Partei angreifen, müssen wir unsere Partei stärker machen …“

Ein Jahr zuvor, im November 1953, hatte der damalige Bundeskanzler Adenauer erklärt: Man sollte nicht mehr von der Wiedervereinigung Deutschlands, sondern von der „Befreiung der Ostzone“ sprechen. Im Februar 1954 wurde auf der Außenministerkonferenz, an der die UdSSR, die USA, Großbritannien und Frankreich beteiligt waren, die Einberufung einer Konferenz über Frieden in Korea und Indochina beschlossen. Über die Deutschlandfrage konnte keine Einigung erzielt werden. Im Juni fand dann die „Volksbefragung für einen Friedensvertrag“ statt. Vor dem KPD-Parteitag wurden die „Pariser Verträge“ verabschiedet. Im November begann der bewaffnete Aufstand in Algerien gegen die französische Kolonialbesatzung. Es war aber zugleich auch eine Zeit großer Lohnkämpfe und Massenstreiks in Westdeutschland.

Das KPD-Verbot war kein historischer Betriebsunfall

Für manche ist das KPD-Verbot 1956 nur ein dunkles Kapitel in der Vergangenheit der Bundesrepublik, eine Episode des Kalten Krieges. Es ist aber ein Höhepunkt, und Ausgangspunkt bei der Wiedereinführung eines politischen Strafrechts und im Hinblick auf dessen extensive Anwendung gegen linke Organisationen, Personen und Ideen. Es zeigte sich damals: Die Herrschenden in der Bundesrepublik hatten sich nicht „befreit“ von den Traditionen des Kaiserreichs („Sozialistengesetze“), der Weimarer Republik und des Faschismus mit all seinen Methoden der Verfolgung und Vernichtung. Es gab politische und personelle Kontinuität und deren Hauptfeind stand und steht immer links.

Viele Menschen, im Faschismus verfolgt, wurden auch nach 1945 wieder verurteilt und ins Gefängnis gesperrt. Unter der Losung des „Roll Back“ (Zurückdrängung des Kommunismus) wurde 1950 der „Adenauer-Erlass“ verabschiedet. Dies bedeutete Berufsverbote für Kommunisten und Kommunistinnen im öffentlichen Dienst. Betroffen waren die Menschen, die fünf Jahre zuvor, 1945, als erste in antifaschistischen Bündnissen die kommunalen Strukturen und eine Selbstverwaltung aufgebaut und den geistigen Schutt sowie die Trümmer, den die Faschisten hinterlassen hatten, weggeräumt hatten. Ehemalige Nazibeamte dagegen wurden wieder in den bundesdeutschen Staatsdienst eingestellt.

Gleichzeitig wurde durch ein Strafrechtsänderungsgesetz („Blitzgesetz“) wieder eine politische Sonderjustiz geschaffen. Nach der Einführung dieser Gesetze stellte die Bundesregierung im November 1951 den Antrag auf Verbot der KPD. Noch bevor die KPD verboten war, wurden Mitglieder der KPD mit politischen Strafverfahren überzogen und verurteilt. Am 17. August 1956, fünf Jahre später, wurde die KPD verboten. Eine neue Welle der Verfolgung und Verurteilung wegen „Verstoß gegen das KPD-Verbot“ erfasste die Bundesrepublik. Sie dauerte bis Anfang der 1970er Jahre. Das KPD-Verbot wurde weiterhin repressiv durchgesetzt. Dies machte auch die Beschlagnahmung des öffentlich verteilten Programmentwurfs der KPD 1967/68 klar. Die Wirkung des KPD-Verbots wurde auch nicht durch die Neukonstituierung der DKP außer Kraft gesetzt.

Nach 1968 und der kurzzeitigen punktuellen „Entschärfung“ des politischen Strafrechts wurden mit Zuspitzung der ökonomischen und politischen Krise und der breiter werdenden Opposition und Widerstandsbewegungen die Repressionsinstrumente weiter ausgebaut. Die KPD konnte, trotz aller Legalisierungsversuche bis 1968, nicht legal auftreten. Doch die Zeit machte die Arbeit einer legalen Kommunistischen Partei notwendig. Auch die DKP befindet sich seit ihrer Neukonstitutierung unter dem Druck des Vorwurfs der Verfassungsfeindlichkeit. Ihr (und für die Öffentlichkeit) wird dies regelmäßig durch den Verfassungsschutzbericht bestätigt. Für die Repressionen der 1970er Jahre stehen die 3,5 Millionen vom Verfassungsschutz überprüften Beschäftigten und Bewerber im öffentlichen Dienst (Januar 1972, Extremistenbeschluss der Ministerpräsidenten der Länder) und die darauffolgenden tausendfachen Disziplinarverfahren, Entlassungen und Berufsverbote. Dafür stehen auch die „Anti-Terrorismus“-Gesetze dieser Jahre, die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts, der Ausbau des Polizeiapparates, der Geheimdienste, der Zensur von Zeitschriften und Verbot von Organisationen. Der 1951 eingeführte § 129, der Tatbestand der kriminellen Vereinigung, wurde 1976 verschärft. Der Begriff „Terroristische Vereinigung“ (§ 129a) mit seinen Sondergesetzen wurde eingeführt. Dieser Organisationsverfolgungskomplex wird mit § 129b, um den Vorwurf der kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland, erweitert. Unter diesem Paragraphen werden heute Organisationen und Menschen, die in Befreiungsbewegungen und in den Klassenkämpfen ihrer Heimatländer aktiv sind, in Deutschland verfolgt.

Die staatliche Repression, Verfolgung von Widerstand von Links, findet heute unter anderen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen als in den 1950er Jahren statt. Die bundesdeutsche Justiz hat sich dennoch seit dem KPD-Verbot nicht grundsätzlich gewandelt. Antikommunismus ist weiterhin Staatsdoktrin und „Links ist kriminell“ bleibt ihr Leitsatz. Die Ermittlung als Repression, die Einschränkung der Rechte im Verfahren (z. B. Zurückhaltung von Akten, Isolationshaft, Richterrecht, Rechtsbeschneidung der Verteidigung usw.) und die dominante Rolle der Geheimdienste sind auch heute noch Realität. Obwohl das KPD-Verbot selbst nach dem Wortlaut des Bundesverfassungsgerichtsurteils im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands eigentlich unwirksam werden sollte, wird es bis heute als juristisch gültig behandelt und ist Grundlage staatlichen Handelns. Selbst wenn es derzeit nicht offen zur gewaltsamen Unterdrückung kommunistischer Organisationen angewendet wird, ist die Fortexistenz des KPD-Verbotes ein politisches Disziplinierungsmittel und ein Repressionsinstrument „im Wartestand“. Es beschränkt die Freiheit der politischen Meinungsäußerung, insbesondere die politische und weltanschauliche Debatte über grundsätzliche Alternativen zum bestehenden kapitalistischen Gesellschaftssystem.

Die Praktizierung einer Siegerjustiz, das Abrechnen mit SED-Funktionären war eine verspätete Durchsetzung des KPD-Verbotes für ganz Deutschland, denn in der Urteilsbegründung von 1956 wurde die Gleichsetzung von SED=KPD juristisch schon festgeschrieben.

Heute wird die Verfolgung linker Organisationen europaweit koordiniert (Europol, TREVI-Abkommen – „Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence Internationale“). Ohne öffentlichen Widerspruch in Europa werden in den „neuen Demokratien“ kommunistische Organisationen verboten und verfolgt.

Die Herrschenden formulieren heute sehr offen ihre politischen Ziele, die sie mit Hilfe der Justiz anpeilen. Unter dem Schlagwort „Totalitarismus“ wurde 1991 auf dem 15. Deutschen Richtertag vom damaligen Bundesjustizminister die Weisung an die Richter ausgegeben: „Ich baue auf die deutsche Justiz. Es muss gelingen, das SED-Regime zu delegitimieren, das bis zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer Gesinnung, angeblich höherer Werte und behaupteter absoluter Humanität hergeleitet hat, während es unter dem Deckmantel des Marxismus-Leninismus einen Staat aufbaute, der in weiten Bereichen genauso unmenschlich und schrecklich war wie das faschistische Deutschland.“ Die sogenannte Unabhängigkeit der bundesdeutschen Justiz wurde hier offen und unverblümt ad absurdum geführt. Für die meisten politischen Verfahren trifft ein Zitat von E. T.A Hoffmann zu: „Wenn man den Täter hat, wird sich die Tat schon finden lassen.“

Die Einführung einer Extremistenklausel für finanzielle Unterstützung von antifaschistischen Vereinen und Organisationen durch das Familienministerium und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN wegen ihrer Benennung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht, machen keinen Sinneswandel deutlich.

Dies alles bestätigt die Forderung der Opfer des Kalten Krieges, der Berufsverbote, der Betroffenen der Siegerjustiz u. a. nach Aufhebung des KPD-Verbots. Das muss für alle Linken in Deutschland aktuell bleiben. Der Kampf um die Rechte der von staatlicher Repression Betroffenen ist nicht nur eine juristische Frage, es ist in erster Linie eine politische Frage.

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"Nur eine Episode im Kalten Krieg?", UZ vom 13. November 2015



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