Streiks der Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste

„Ohne Druck wird sich nichts verändern“

Die Streikaktionen der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst kommen auf Touren. Nach den Aktionstagen vom 2. bis 5. Mai gab es an den Streiktagen vom 9. bis 15. Mai große Kundgebungen und Demos, auf denen die Stimmung kämpferisch war. Bundesweit streikten rund 45.000 Kolleginnen und Kollegen, um vor der anstehenden dritten Verhandlungsrunde den Druck auf die kommunalen Arbeitgeberverbände zu verstärken. So gingen in Gelsenkirchen 10.000 Beschäftigte auf die Straße, 6.000 waren es in Stuttgart, 2.000 in München, 1.500 in Freiburg, 500 in Ulm. Oft waren es deutlich mehr als erwartet. Das liegt auch an den Forderungen zur Entlastung der Beschäftigten, die in dieser Tarifrunde gestellt werden. Die Aussicht auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen stößt auf großen Zuspruch. Viele der jetzt Streikenden sind neu dabei und in ver.di eingetreten.

Auch bei der landesweiten Demo in Stuttgart lag die Beteiligung mit 6.000 „deutlich“ höher als erwartet, wie Stuttgarts ver.di-Bezirksleiter Cuno Brune-Hägele sagte. Mit circa 40 Bussen kamen Kolleginnen und Kollegen aus Mannheim, Reutlingen, Tübingen, Karlsruhe, Heilbronn und den Landkreisen rund um Stuttgart in die Landeshauptstadt. Mit Sprechchören, Trillerpfeifen und selbstgemalten Schildern und Transparenten brachten die Demonstrierenden ihren Unmut gegen die unzumutbaren Bedingungen in Kitas, in der Sozialen Arbeit und bei der Behindertenhilfe zum Ausdruck. Die beliebteste Parole: „Ohne Druck wird sich nichts verändern“. Und genau diesen Druck haben die Beschäftigten seit dem 8. März, dem ersten Streiktag, aufgebaut und verstärkt.

200202 SuE a - „Ohne Druck wird sich nichts verändern“ - Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienste, ver.di - Wirtschaft & Soziales
Am 12. Mai streikten die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste in Baden-Württemberg. (Foto: Christa Hourani)

Der Streiktag in Stuttgart am 12. Mai war der Internationale Tag der Pflegenden. Es beteiligten sich deshalb auch Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege und den Krankenhäusern an der Demo. „Denn unsere Forderungen sind dieselben: Aufwertung, Entlastung und wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Wir Beschäftigte aus sozialen Berufen gehen gemeinsam auf die Straße. Wir Pflegende sind dabei: für uns und solidarisch mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst“, so heißt es in einem Flyer. Sie demonstrierten mit ihrer Dienstkleidung im „Weißen Block“ mit.

Sehr lesenswert und kreativ waren die vielen selbstgemalten Schilder. Dort hieß es unter anderem: „Es ist 4 nach 12 – wir löschen nur noch Brände“, „Mehr Personal, mehr Entlastung, mehr Anerkennung“, „Jetzt investieren in zukünftige Friedens-Stifter und Klima-Retter“, „Ich kann nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde“ oder „Jugendamt: come in and burn out“. Das gibt die Stimmung im Sozial- und Erziehungsdienst gut wieder. Positiv in dieser Tarifrunde ist die große Solidarität anderer Bereiche im Öffentlichen Dienst, aber auch der Eltern. Bis jetzt sind die Eltern sehr solidarisch und meckern nicht, wenn die Kita bestreikt wird, wissen sie doch, dass es ihren Kindern zu Gute kommt, wenn die Arbeitsbedingungen sich verbessern.

In ihrer Rede kritisierte eine Kollegin der Jugendhausgesellschaft, dass über Nacht 100 Milliarden Euro für das Militär lockergemacht wurden, aber für die KollegInnen nicht einmal eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung stehe.
Die dritte Verhandlungsrunde fand am 16. und 17. Mai in Potsdam statt (nach Redaktionsschluss). Eventuell wird auch am 18. Mai noch weiterverhandelt. ver.di-Chef Frank Werneke kündigte anhaltende Ausstände für den Fall an, dass diese Runde keinen Durchbruch bringt. „Im Moment streiken wir sehr gezielt tageweise, in der Hoffnung, dass sich die Arbeitgeber endlich bewegen“, so Werneke. Unbefristete Streiks sind in Diskussion. Klar bewusst ist den Beschäftigten, dass „ohne Druck sich nichts verändern wird“.

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"„Ohne Druck wird sich nichts verändern“", UZ vom 20. Mai 2022



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