Bundesbank erwartet tausende Insolvenzen

Pleitewelle rollt an

„Das deutsche Finanzsystem hat sich als stabil erwiesen. Bislang hat es in der Corona-Pandemie seine zentralen Funktionen erfüllt“, führte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch bei der Vorstellung des „Finanzmarktstabilitätsberichtes“ aus. Mit diesem jährlichen Bericht analysiert und bewertet die Deutsche Bundesbank die Risiken aus dem internationalen Umfeld und die Risikolage des nationalen Bankensektors. Buch machte deutlich, dass die massiven staatlichen Hilfen Liquiditätsengpässe der Unternehmen verhindert hätten. Doch dieses könnte sich jetzt ändern, denn ein Bestandteil der staatlichen Regelungen war, dass die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen ausgesetzt wurde und jetzt wieder in Kraft tritt beziehungsweise zum Teil bis zum Jahresende nachwirkt.

Das Insolvenzrecht schreibt vor, dass ein Unternehmen anzuzeigen hat, wenn es 10 Prozent seiner Rechnungen nicht mehr begleichen kann und somit die Zahlungsunfähigkeit droht. Innerhalb einer Frist von drei Wochen muss dann ein Finanzplan vorgelegt werden, wie das Unternehmen gedenkt, seine Zahlungsverpflichtungen in den nächsten sechs Monaten zu erfüllen.

Bisher seien die Auswirkungen der Krise noch nicht im vollen Umfang in der Realwirtschaft angekommen, da eigene Mittel und staatliche Hilfen die Umsatzeinbrüche aufgefangen haben. Die Bundesbank geht davon aus, dass die Insolvenzen der Unternehmen und in der Folge Wertberichtigungen bei den Banken nunmehr stark zunehmen und ab dem Jahresbeginn 2021 auf etwa 6.000 Insolvenzen im Quartal führen – in der Finanzmarktkrise 2008 ff. betrugen diese etwa 8.000 im Quartal. Die Bundesbank beruft sich in ihrer Prognose auf die bisherigen Erfahrungen. Warum aber ausgerechnet die derzeit größte Wirtschaftskrise in der Nachkriegsgeschichte zu einer niedrigeren Pleitewelle führen soll, bleibt in dem Bericht ein Rätsel.

Auf diese Entwicklung müssen sich alle Akteure gut vorbereiten, meint Vizepräsidentin Buch weiter, denn es gelte, die negativen Rückkoppelungen zwischen Realwirtschaft und Finanzsystem zu verhindern. Im Klartext heißt es, dass viele Kredite der Banken sich als faul erweisen können und somit das Eigenkapital der Banken schmälern. Im schlechten Fall führt das zu einer Drosselung der Kreditvergabe durch die Banken und damit zu weiteren Insolvenzen. Was folgt, sind Appelle. So appelliert die Bundesbank an die Banken, ihre für diesen Zweck seit der Wirtschaftskrise 2008 verpflichtend aufgebauten Kapitalpuffer einzusetzen, denn schließlich seien sie hierfür geschaffen worden. Dieser verpflichtende Puffer wurde nun auf null Prozent herabgesetzt. Im Gegenzug würde erwartet, dass die Banken auf Ausschüttungen von Gewinnen und Dividenden verzichten. Letzteres ist aber nur eine Empfehlung für das nächste Jahr.

Betroffene der sich ankündigenden Pleitewelle werden nach Aussagen der Bundesbank überwiegend kleinere Betriebe aus dem Dienstleistungssektor, aber auch aus der Industrie sein. Den Banken gab die Bundesbank die Empfehlung, den Strukturwandel der Wirtschaft mit dieser Krise zu unterstützen, was heißt, „gute“ und „schlechte“ Risiken zu trennen und tragfähige Unternehmensmodelle weiterhin mit Krediten zu versorgen. Besser können die Aufgabe und Wirkung von kapitalistischen Wirtschaftskrisen von offizieller Seite nicht beschrieben werden.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Pleitewelle rollt an", UZ vom 23. Oktober 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit