Reaktion auf Spritpreise entzweit Koalition

Rabatte gegen gelbe Westen?

Als der Krieg begann, lag der Preis für einen Barrel (159 Liter) Öl bei 3 Dollar. Kurze Zeit später waren 5 Dollar fällig und ein Jahr später 12 Dollar. In der Bundesrepublik Deutschland gab es Diskussionen um zu einseitige Abhängigkeiten – 50 Prozent des Energiebedarfs wurde durch Öl gedeckt und davon kamen 75 Prozent aus den Gebieten, in denen nun Krieg herrschte oder die von Kriegseinwirkungen bedroht waren.

Diese Zahlen sind nicht aktuell. Sie beziehen sich auf die Zeit des Jom-Kippur-Krieges, mit dem 1973 Ägypten und Syrien versuchten, die 1967 an Israel verlorenen Gebiete zurückzugewinnen.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber die damaligen Reaktionen auf die Krise zeigen, welche langfristigen Wirkungen solche Schockwellen nach sich ziehen können. Als unmittelbare Reaktion gab es damals vier Sonntagsfahrverbote und ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen. Die Krise führte zur Zeitumstellung, die bis heute andauert, zur Forcierung der Atomkraft und – um die Abhängigkeit von arabischen Ländern zu verringern – zum Ausbau der Erdgaslieferungen aus der Sowjet-union, die 1970 mit der ersten Erdgaspipeline begonnen worden war.

Nun erleben wir eine ähnliche Mischung aus eiligen Aktionen zur Abfederung der Erschütterungen und langfristigen Umsteuerungen: Der von den „Grünen“ stammende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzte sich in den Flieger und machte am 19. März eine Wochenend-Sprit(z)tour an den Persischen Golf, um die in den 1970-er Jahren verfluchte Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dieser Weltgegend wiederzubeleben. Für die innenpolitischen Debatten gab er am 16. März – wahrscheinlich eher zur Beruhigung restlinker Phantomgefühle des grünen Wählerklientels – ein paar markige Worte zu den horrenden Gewinnen der Ölmultis in der gegenwärtigen Krise zu Protokoll: „Die Oligopolsituation am deutschen Kraftstoffmarkt ist seit Langem ein strukturelles Problem“, erkannte er und forderte, es dürfe nicht sein, dass Unternehmen aus der aktuellen Situation „unangemessene Gewinne schlagen“.

Währenddessen hatte sein Duzkumpel und Koalitionspartner Christian Lindner (FDP) die Pflöcke gegen die Flut der steigenden Spritpreise schon ganz woanders eingeschlagen. Zum Unmut der beiden anderen Koalitionsparteien schlug er – offenbar ohne vorherige Abstimmung mit Kanzler oder Wirtschaftsministerium – bereits am Montag, dem 14. März, einen „Krisenrabatt Kraftstoff“ vor. Das dient – wie andere Vorschläge etwa aus der CDU/CSU zur Senkung der Steuer auf Benzin und Diesel – dazu, den wachsenden Unmut der Bundesbürger an den Zapfsäulen politisch zu neutralisieren. Der ist verständlich: Kostete eine Tankfüllung für die beliebte Familienkutsche VW Caddy vor noch nicht langer Zeit knapp 80 Euro, verlässt die Fahrerin jetzt Aral, Shell und Co. mit 120 Euro weniger. Die Haushaltskasse wird zudem von Aldi-Preiserhöhungen, steigenden Stromrechnungen und vielem mehr gebeutelt.

Die Rabattidee kommt aus Frankreich, wo zum 1. April, also kurz vor den dortigen Präsidentenwahlen, eine „Spritpreisbremse“ in Kraft tritt. Vier Monate lang subventioniert der Staat jede Tankfüllung mit 15 Cent pro Liter. Kosten für die Staatskasse, die hier wohl auch als Wahlkampfkasse des amtierenden Präsidenten fungiert: Rund 2 Milliarden Euro. Ziel der Maßnahme: Die drohende Reaktivierung der Gelbwesten-Bewegung gegen hohe Benzinpreise im Keim zu ersticken. Dem diente auch die bereits im Dezember erfolgte Überweisung von 100 Euro an alle Franzosen mit einem Nettoeinkommen von weniger als 2.000 Euro – also aus der Zeit noch vor dem Beginn der Kampfhandlungen Russlands gegen die Ukraine, denen jetzt alle Energiepreissteigerungen in die Schuhe geschoben werden.

Weder in Frankreich noch in Deutschland werden die Gewinnmargen der Mineralölkonzerne künftig angetastet – allen Verbalgrummeleien aus nostalgischen Restecken der Regierungsparteien zum Trotz. Das wird die Linke hier wie dort selbst auf die politische Tagesordnung setzen müssen.

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"Rabatte gegen gelbe Westen?", UZ vom 25. März 2022



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