Reflexartig nach rechts

Manfred Sohn zu den Koalitionsspielen von SPD, Grünen und Linkspartei

Für Außenstehende überraschend reibungslos reiht sich die Partei „Die Linke“  nun auch in den alten Bundesländern in das Koalitionsorchester kapitalismuserhaltender und -optimierender Parteien ein. Schon im Bremer Wahlkampf war von der früher deutlich antikapitalistisch geprägten Linkspartei nicht mehr allzu viel zu sehen – orientiert wurde vielmehr vor allem auf das Verhindern eines Regierungswechsel hin zur CDU durch den Versuch, die Schwäche von SPD und – jedenfalls in Bremen – der dort mitregierenden Grünen dazu zu nutzen, selbst an die vermeintlichen Schalthebel der Macht zu kommen.

Damit wird – wie auch durch den angekündigten Rückzug von Sahra Wagenknecht aus allen herausragenden Ämtern in ihrer Partei – lediglich offenkundig, was sich schon länger abgezeichnet hatte. In ihrer Gründungsphase mag es aufgrund der starken Nachwirkung der marxistischen Grundausstattung der SED aus den Zeiten der DDR und der tief enttäuschten und dadurch auch zu tieferem Nachdenken zwingenden Linkswendung erheblicher Teile der SPD in Reaktion auf die Schrödersche Basta-, Kriegs- und Hartz-IV-Politik die Chance gegeben haben, aus der Kombination von PDS und WASG eine Partei zu machen, die – in gewisser historischer Analogie zur USDP – in sich das Potential getragen hätte, zu einer marxistisch orientierten und orientierenden Massenpartei zu werden. Der Zug ist nicht erst seit den Bremer Koalitionsverhandlungen und auch nicht erst durch die Übernahme eines Ministerpräsidenten-Amtes in Thüringen abgefahren. Um im Bild zu bleiben: Statt nach links wie einst die USPD zur KPD ist die Linkspartei nun nach rechts zur SPD abgekippt. Der marxistische Flügel dieser Partei – organisatorisch gruppiert um das „Marxistische Forum“ und die Kommunistische Plattform – ist schon länger das Feigenblatt, das die Sozialdemokratie sich schon immer vor ihre ideologischen Blößen gehalten hat. Das war nie anders – regelmäßig gab es von SPD-Oberen sonntags Trinksprüche auf Marx in Trier oder Engels in Wuppertal, um dann ab Montag wieder kapitalismuserhaltende Realpolitik zu treiben. Die Linkspartei hat sich entschieden, da mitzumachen, und insofern waren die öffentlichen Gedankenspiele um eine Wiedervereinigung von SPD und Linkspartei, ob nun von Oskar Lafontaine selbst oder von Heinz Bierbaum, folgerichtig.

Die Schwäche sowohl der Rechts- als auch der Linkssozialdemokratie, die in den letzten Wahlen deutlich wurde, könnte allerdings dazu führen, dass erstens die alten Träume von einer SPD-geführten Bundesregierung mit den Grünen und der Linkspartei als Juniorpartner ersetzt werden müssen durch das würdelose Betteln von SPD und Linkspartei gegenüber dem grünen Kleinbürgertum, nach den nächsten Bundestagswahlen doch bitte mit ihnen und nicht mit der Stammpartei des Kapitals, der CDU, eine Koalition zu wagen – der alten gemeinsamen Werte und Träume zuliebe. Zweitens aber scheinen die gegenwärtige Umbrüche in den Parteisystemen der etablierten kapitalistischen Mächte so tiefgreifend, dass die Arme selbst aller drei alten linksreformistischen Systemparteien zu kurz geworden sind, um eine Koalition aus CDU und AfD (oder andersherum) langfristig noch abzuwenden – also die deutsche Übersetzung von Trump und Johnson.

Das Wegrutschen der Linkspartei nach rechts ist der Reflex auf die bewegungsarme und perspektivverzagte Zeit, in der wir leben. Wer eine marxistische Massenpartei will, wird das durch parteipolitisches Taktieren nicht erreichen – der Weg führt nur über die Verbreitung der Einsicht in die Notwendigkeit der Überwindung des Systems der kapitalistischen Warenproduktion, das uns immer schneller in einen Strudel von Verarmung, Verrohung, Krieg und Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen hineinzieht.

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"Reflexartig nach rechts", UZ vom 28. Juni 2019



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