Zur Fusion von Deutscher Bank und Postbank

Schock mit Breitenwirkung

Von Manfred Sohn

Anfang März berichtete zunächst die „Welt“, anschließend viele andere Medien davon, dass die bevorstehende Fusion von Deutscher Bank und Postbank „jede fünfte Stelle“ und damit 6 000 Arbeitsplätze kosten würde.

Die mediale Aufregung kommt ein bisschen spät. Schon im März 2017 hatte die Gewerkschaft ver.di die Kolleginnen und Kollegen der Postbank per Flugblatt informiert: „Die Entscheidung der Deutschen Bank, die Postbank voll zu integrieren, ist für viele Beschäftigte ein Schock. Die letzten beiden Jahre waren davon geprägt, die Eigenständigkeit der Postbank zu erreichen. Hier haben die Beschäftigten ihre Energie und ihr Herzblut eingebracht und einige harte Einschnitte in Kauf genommen.“

Seitdem ringen Betriebsräte, Gewerkschafter und die Manager der trotz der Verluste der letzten beiden Jahre immer noch mächtigen Deutschen Bank (DB) miteinander, um einen Kündigungsschutz und vernünftige Sozialplan-Regeln für die von der Fusionsrationalisierung bedrohten Kolleginnen und Kollegen zu erreichen.

Die Pläne der Deutschen Bank liegen seit Herbst letzten Jahres auch öffentlich auf dem Tisch: Bis Ende des zweiten Quartals 2018 – also bis zum 30. Juni – sollen die „Deutsche Postbank AG und die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG“ zu „einer Rechtseinheit zusammengeführt“ werden. Beide Banken würden eine gemeinsame Zentrale und in der Zukunft eine gemeinsame Informationstechnologie bekommen. Außerdem solle eine „neue Digitalbank“ entstehen sowie das Bankhaus Sal. Oppenheim – im Konzern der Deutschen Bank bisher die erste Adresse für die vermögendsten der Vermögenskunden – in das neue Institut unter Aufgabe der Marke integriert werden. Ab 2022 sollen durch die so entstehenden Synergien gegenüber den jetzigen Kosten jährlich knapp eine Milliarde Euro eingespart werden. Klar ist damals wie heute: Ohne massiven Arbeitsplatzabbau sind Einsparungen dieser Größenordnung nicht zu erzielen.

Die Sozialplanverhandlungen laufen noch – durchgesickert ist durch die eingangs zitierten Meldungen bislang, dass in den kommenden vier Jahren 1 500 Mitarbeiter der künftig fusionierten Bank über Abfindungsangebote gehen sollen. Wenn ver.di den angestrebten Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis Mitte 2021 erreicht, haben ihre Funktionäre zusammen mit den zuständigen Betriebsräten gut verhandelt.

Sozialplanverhandlungen hängen, wie ver.di zu Recht schreibt, immer mit dem Organisationsgrad zusammen. Der liegt bei der Deutschen Bank um die 10, bei der Postbank aus traditionellen Gründen immerhin bei rund 50 Prozent. Bei den Sozialplanverhandlungen im deutschen Steinkohlebergbau im letzten Jahrhundert, als ganze Betriebe in wichtigen Verhandlungsphasen geschlossen die Brocken hinwarfen und Innenstädte ebenso prägten wie die mediale Berichterstattung, konnte sich die damalige IG Bergbau und Energie auf einen Organisationsgrad von 92 Prozent stützen. Der Unterschied von über 90 zu etwas über 9 Prozent begründet den Unterschied zwischen kollektiver Macht und kollektivem Betteln. Zwischen diesen beiden Polen dürfte sich das bewegen, was ver.di in diesen für alle Beschäftigten wichtigen Verhandlungen erreichen kann.

Der Vergleich vom Niedergang des Steinkohlebergbaus und der Finanzwirtschaft – also vor allem Banken und Versicherungen – ist hier nicht ganz zufällig gewählt. Der eigentliche Treiber dieser Fusion ist nicht der Schlankheitswahn der Manager der Deutschen Bank. Dahinter stehen weitaus mächtigere Treiber. Das ist zum einen die anhaltende Niedrigzinsphase, die die Differenz zwischen Zinseinnahmen für Kredite und Zinsausgaben für Einlagen so zusammengepresst hat, dass aus diesem traditionellen Geschäft immer weniger Ertrag zu erzielen ist. Parallel dazu greifen durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt früher nicht mögliche Rationalisierungsmaßnahmen im Bank- und Versicherungsbereich immer effektiver. Die Bundesanstalt für Arbeit hat Ende Februar einen „Job-Futuromat“ ins Netz gestellt. Dort sind 4 000 Berufe entsprechend ihrer „Automatisierbarkeit“ gespeichert. Über die Bewertung lässt sich streiten – über die Tendenz nicht: Nach dieser Untersuchung können sieben der acht Tätigkeiten, aus denen der Beruf „Bankkaufmann/-frau“ besteht, „schon heute Roboter übernehmen“. Quintessenz: „Die Automatisierbarkeit in diesem Beruf ist hoch“. Getrieben durch den skizzierten Druck auf die Margen sind zurzeit alle Bank- und Versicherungsmanager dabei, die Rationalisierungspotentiale neuer Techniken für ihr Institut für die kommenden Jahrzehnte zu realisieren. Der Ausgang der Kämpfe bei Deutscher Bank und Postbank wird von großer Bedeutung für die gesamte Branche sein. Angesichts des Organisationsgrades der Postbank könnte das Ergebnis eine positive Breitenwirkung haben – insofern ist den Kämpfenden im Interesse hunderttausender weiterer Angestellter viel Kraft und alles erdenklich Gute zu wünschen.

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"Schock mit Breitenwirkung", UZ vom 29. März 2018



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