Selbstbestimmung

Günter Pohl über die Besatzungspolitik Israels in Palästina

Der 29. November ist der Internationale Tag der Solidarität mit Palästina – konkret meint Solidarität mit Palästina heute in erster Linie die Forderung nach Selbstbestimmung. Man schafft kaum noch, die UN-Resolutionen und Aufrufe von Organisationen, Parteien und der Mehrzahl der UN-Staaten nachzuhalten, die für das Territorium Israels und Palästinas eine Zwei-Staaten-Lösung einfordern, die für eine solche Selbstbestimmung grundlegend wäre.

Aber die Realität ist, dass Israel einen Teil des palästinensischen Gebiets besetzt und den anderen Teil wirtschaftlich abhängig hält und dessen Bevölkerung, wo es geht, mit Verboten und Sanktionen schikaniert. Gegen das Völkerrecht sind seit 1967 Gaza, Ostjerusalem und das Westjordanland besetzt; das im trockenen Nahen Osten ohnehin knappe Wasser wird dort vorwiegend in die Zonen geleitet, wo jüdische Siedler ihre Häuser gebaut haben. Dass Siedlungen der Besatzer im besetzten Gebiet gebaut werden und durch deren Anlage immer mehr ein einheitliches Palästina unmöglich machen, ist illegal, wie selbst die Europäische Union findet. Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hat die Siedlungen als Verstoß gegen internationales Recht gebrandmarkt.

Die US-Regierung sah das nie so – und hat nun endlich zu einer entsprechenden Wortwahl gefunden, die Siedlungen als gesetzeskonform bezeichnet und die seit 1978 geltende, offizielle Position abändert. Nach der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt und der Souveränität Israels über die ebenfalls 1967 eroberten syrischen Golanhöhen ist das jedenfalls folgerichtig; nun weiß die Welt, woran sie ist. Auch der angekündigte, so genannte „Deal of the Century“ unterstreicht das gemeinsame israelische und US-Ziel, palästinensische Rechte den Wünschen Israels unterzuordnen. Die Autonomiebehörde bekommt von der US-Regierung keine finanzielle Unterstützung mehr und auch das Büro der PLO in den USA wurde geschlossen.

Auf diese Weise wird klar, warum der trotz Abwahl und Korruptionsvorwürfen immer noch amtierende Regierungschef Benjamin Netanjahu sich ermutigt fühlen darf, den letzten Ballast internationalen Rechts über Bord zu werfen, weitere Gebiete für jüdische Siedler zu reklamieren und die Annexion des kompletten Westjordanlands in Angriff zu nehmen. Die Kolonisierung der besetzten Gebiete stellt ein Kriegsverbrechen dar – so wie auch das wirtschaftliche Erdrosseln des Iran, Syriens, Kubas oder Venezuelas durch die USA eines ist. Gegenüber allen diesen Taten zeigt sich Israels Establishment verständnisvoll und unterstützt die USA im Gegenzug bei den Vereinten Nationen.

Dass Israel keine Karten herausgibt, auf denen es die ihm aus seiner Sicht zustehenden Außengrenzen benennt, hat den einfachen Grund, dass die Welt dann klar sehen würde, auf was es denn hinauslaufen würde, wenn man Regierung und religiöse Scharfmacher des Landes nicht bremst. Nicht ein Quadratmeter würde den Palästinensern bleiben und auch die Staaten Libanon, Syrien, Ägypten und Jordanien wären betroffen.

Wer gegen diese Politik die Stimme erhebt, wird hierzulande zum Antisemiten erklärt und bekommt kaum noch einen öffentlichen Raum für eine Palästina-Veranstaltung; schon gar nicht, wenn ein Teilnehmer der Bewegung „Boykott, Divestment, Sanctions“ nahesteht. Da mutet es schon kurios an, dass sich der Europäische Gerichtshof zum Fürsprecher der zentralen Forderungen der BDS-Kampagne gemacht und gerichtlich festgelegt hat, dass die Besetzungen illegal sind und daher Waren aus besetzten Gebieten nicht als „Made in Israel“ verkauft werden dürfen.

Der EuGH sollte immer schön darauf achten, in Luxemburg pünktlich seine Miete zu zahlen – wenigstens in Deutschland ist für „antisemitische“ BDS-Freunde nämlich kein Platz.

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"Selbstbestimmung", UZ vom 29. November 2019



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