Ein 17-Jähriger lässt sich in eine andere Stadt fahren, in der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt stattfinden, nimmt ein halbautomatisches Gewehr mit, um gegen „Plünderer“ vorzugehen, erschießt zwei Menschen und verletzt einen Dritten schwer. Klarer Fall von Selbstjustiz oder des Auslebens von White-Supremacy-Allmachtsphantasien? Könnte man meinen. Die US-Justiz nennt das, was Kyle Rittenhouse getan hat, allerdings „Selbstverteidigung“ und spricht ihn von der Anklage des Mordes, des Totschlags, des versuchten Mordes und der Gefährdung anderer frei.
Nach den tödlichen Schüssen aus der AR-15 ließ die Polizei Rittenhouse unbehelligt abziehen, der zuständige Richter untersagte, dass während des Prozesses die Opfer als „Opfer“ oder „mutmaßliche Opfer“ bezeichnet werden dürfen – schließlich hatte einer von ihnen eine Pistole dabei, ein anderer habe Rittenhouse mit einem Skateboard geschlagen. Die Verbindung Rittenhouses zu den faschistischen „Proud Boys“ durfte im Prozess nicht erwähnt werden, der Richter hielt sie für „nicht beweiserheblich“. In Deutschland würde man ihn einen Einzeltäter nennen.
Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.
Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.