Aktion gegen die Identitäre Bewegung an der Schule

Sticker gegen Rechte

Von Freya Pillardy

sticker gegen rechte - Sticker gegen Rechte - Antifaschismus, Bildung, Identitäre Bewegung - Politik

An der Wilhelm-Filchner-Schule in Wolfhagen, einer Kleinstadt mit knapp 13 000 Einwohnern, ist seit etwa einem halben Jahr die Identitäre Bewegung aktiv. So lassen sich in der Schule viele Sticker dieser Bewegung unter dem Motto „Asylwahnsinn stoppen!“ oder „Heimatliebe statt Islam!“ finden. Auf Flyern ist von einem Bevölkerungsaustausch und dem Verlust der deutschen Kultur die Rede und davon, dass Flüchtlinge eben kriminell sind und wegen ihnen Geld für die deutschen Bürger fehle. Das trifft einige Schüler persönlich, da etwa 10 Prozent der Schülerschaft einen Migrationshintergrund hat oder sogar selber geflohen ist.

Auf Initiative von Mitgliedern der SV, die sich auch privat mit diesem Thema auseinandersetzen oder Mitglied der SDAJ sind (ich), ist die Schülervertretung dieser Schule gegen den Rassismus aktiv geworden. So wurden Sticker zum Überkleben der Sticker der Identitären Bewegung gedruckt. auf denen steht „Hier wurde ein Nazi-Sticker überklebt – Schülervertretung der Wilhelm-Filchner-Schule.“ Auf einer Klassensprechervollversammlung habe ich in Absprache und stellvertretend für die Schülervertretung ein Referat über die identitäre Bewegung gehalten. Im Referat wurde deutlich gemacht, dass man bei der sinkenden Zahl an ankommenden Geflüchteten und der geringen Zahl an angenommenen Asylanträgen nicht von einem Bevölkerungsaustausch reden kann und die Menschen nicht aus einer Laune heraus hierherkommen, sondern die lebensgefährliche Flucht auf sich nehmen, weil sie in ihrer Heimat existenziell bedroht sind und dort keine Perspektive haben. Aufgezeigt wurde auch, dass wenn in Deutschland die 45 reichsten Haushalte so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzen, sind nicht die Flüchtlinge schuld daran, dass Geld für Schulen, Kindergärten oder Schwimmbäder fehlt. Zudem wurde mit anschaulichen Zahlen klar gemacht, dass die meisten Gewalttäter aus dem Bekanntenkreis der Opfer kommen und somit eben nur zu einem sehr geringen Teil Geflüchtete sind. Abschließend wurde resümiert, dass alle an der Schule dem Rassismus entgegenstehen müssen, weil wir Probleme an der Schule wie fehlende Busse aufgrund von Unterfinanzierung nur lösen können, wenn wir uns gemeinsam mit den geflüchteten Mitschülern für unsere Interessen einsetzen und uns nicht spalten lassen. Dieses Referat soll in allen Klassen durch die Klassensprecher gehalten und diskutiert werden. Ob das in allen Klassen passiert ist, ist noch nicht bekannt, da die Vollversammlung erst in der vergangenen Woche stattgefunden hat.

Die Reaktionen auf den Vortrag und die Sticker der Schülervertretung waren sehr unterschiedlich. Während die Lokalpresse die Zivilcourage der Schüler in den höchsten Tönen lobte, ein migrantischer Mitschüler sagte „Danke, dass ihr so solidarisch seid. Gute Aktion von euch!“ und einige Klassensprecher auch selber Sticker überkleben wollten, gab es aus den Klassen, in denen vermutlich Mitglieder der Identitären Bewegung sitzen, krassere Reaktionen. So wurde die SV von einem Schüler aus der 9.Klasse als „linksfaschistisch“ bezeichnet, er sagte, dass Linksextremismus das größere Problem sei. Ein anderer aus dieser Klasse störte sich daran, dass die Identitäre Bewegung (die selbst vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird) durch die Sticker als Nazis vermeintlich „diffamiert“ werde und man laut seiner Aussage genauso gut Sticker gegen freie Meinungen hätte machen können.

Wir dürfen den zunehmenden Rassismus nicht unbeantwortet lassen und müssen in Interessensvertretungsgremien wie Schülervertretungen deutlich machen, dass nicht die Flüchtlinge an der Bildungsunterfinanzierung und anderen Missständen in unserer Gesellschaft Schuld sind, sondern dass wir gemeinsam mit den Geflüchteten gegen die Verursacher dieser Probleme kämpfen müssen. Das ist der Schülervertretung der Wilhelm-Filchner-Schule für die Verhältnisse einer Schülervertretung sehr gut gelungen und natürlich setzt sie sich gemeinsam mit den Geflüchteten gegen die Probleme mit den Bussen an der Schule ein z. B. durch zuspamen der Beschwerdemailadresse der regionalen Verkehrsgesellschaft oder durch ein Gespräch, in dem von einer Befragung aller Schüler der Schule über die Busprobleme berichtet wurde. Ob weitere Aktionen gegen die Identitäre Bewegung und gegen die Busprobleme folgen werden, ist noch unklar. Klar ist, nach einigen negativen Reaktionen auf der Klassensprechervollversammlung, dass der Rassismus ein ernstzunehmendes Problem an dieser Schule ist, denn laut Schätzungen aus dem Jahrgang 9 seien rund 8 Leute in Kontakt mit der Identitären Bewegung und die ganze Klasse habe sich über die Sticker der SV beschwert. Die zwei genannten Zitate, sind also keine Einzelfälle.

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"Sticker gegen Rechte", UZ vom 29. März 2018



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