Chinesischer Nationaler Volkskongress beschließt Fünfjahresplan

Systemischer Vorteil

Im Anschluss an die Sitzung des Nationalen Volkskongresses (NVK) in China sprach UZ mit Yu Peng, Berlin-Korrespondent der China Media Group, über technische Entwicklung, Armuts- und Pandemiebekämpfung.

UZ: Vor Beginn der Jahressitzung des NVK hat die Volksrepublik China die Überwindung der Armut im Land verkündet – ein immenser Erfolg. Welche Maßnahmen hat die Regierung zur Bekämpfung der Armut ergriffen?

07 Portrait - Systemischer Vorteil - China, Volkskongress - Internationales
Yu Peng ist Korres­pondent der China Media Group
in Berlin.

Yu Peng: Mit der Idee, den Menschen an die erste Stelle zu setzen, haben die Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas und die Regierungsbeamten einschließlich der Gesellschaft konzertierte Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut unternommen. Zu diesen Bemühungen gehören die Freigabe von Steuervergünstigungen, die Verbesserung der Verwendung von Fonds zur Armutsbekämpfung und die Einrichtung von Online-Plattformen für den Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten aus den von Armut betroffenen Gebieten.

Sie beinhalten auch die Einführung von Workshops, Rekrutierungskampagnen zur Linderung der Armut, die Koordination der wohlhabenden östlichen Regionen zur Unterstützung der verarmten westlichen Gebiete und die Entsendung von Millionen von Kadern aus der Regierung in diese Gebiete zur Armutsbekämpfung. Diese Bemühungen sind eine Manifestation von Chinas systemischem Vorteil – der Fähigkeit, Ressourcen zu mobilisieren und Kräfte zu bündeln, um kritische Probleme anzugehen.

Präzision ist der Schlüssel für den Erfolg von Chinas Kampf gegen die Armut. Das Land identifiziert die genauen Probleme verschiedener Ortschaften und Individuen. Das ermöglicht der Regierung, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um substanzielle und nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Lokalitäten in ganz China haben verschiedene Industrien entwickelt, um die Beschäftigung zu fördern, das Einkommen der Menschen entsprechend den lokalen Bedingungen zu erhöhen, diejenigen umzusiedeln, die in unbewohnbaren Gebieten leben, und sich an gemeinsamen Hilfsprogrammen zu beteiligen. Das Land wird die Überwachungs- und Unterstützungsmechanismen verbessern, um zu verhindern, dass diejenigen, die sich aus der Armut befreit haben, wieder ins Elend zurückfallen.

UZ: Das vergangene Jahr war ein außergewöhnliches Jahr in der Geschichte der Volksrepublik China. Die Pandemie und die Krise der Weltwirtschaft wirken sich aus, die chinesische Regierung setzte deshalb kein konkretes Ziel für das Wirtschaftswachstum im letzten Jahr. Wird die Pandemie die Wirtschaft noch beeinflussen?

Yu Peng: Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat nach Angaben des National Bureau of Statistics (NBS) im Jahr 2020 die Schwelle von 100 Billionen Yuan (15,42 Billionen US-Dollar) überschritten. China, dessen BIP im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 Prozent gestiegen ist, ist die einzige große Volkswirtschaft, die in dem von der Pandemie heimgesuchten Jahr ein Wachstum verzeichnen konnte. Chinas Wirtschaft dürfte laut dem Leiter des NBS nun rund 17 Prozent der Weltwirtschaft ausmachen. Er führt das Wachstum auf Fortschritte in verschiedenen Bereichen zurück, darunter die Getreideproduktion, die Industrieproduktion, den Bau von Hochgeschwindigkeitszügen und 5G-Technologien.

China hat seine BIP-Wachstumsrate für 2021 auf über 6 Prozent festgelegt, da seine wirtschaftliche Erholung an Fahrt aufnimmt, und wird sich mit voller Energie der Förderung von Reformen, Innovationen und hochwertiger Entwicklung widmen.

Derzeit sind die Auswirkungen von Covid-19 auf die Weltwirtschaft immer noch offensichtlich, während die globalen Liefer- und Industrieketten unter den Auswirkungen leiden, zusammen mit zunehmendem Unilateralismus und Protektionismus. China fördert jedoch ein neues Entwicklungsmuster, das die Marktpotenziale weiter freisetzen, zu einer breiteren Öffnung führen und die internationale Zusammenarbeit vertiefen wird.

UZ: Wie hat China die Covid-19-Pandemie bekämpft? Welche Ziele setzte sich China bei der Bekämpfung der Pandemie?

Yu Peng: China hat die umfassendsten, entschlossensten, proaktiven Präventions- und Kontrollmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen.

Die schnelle Reaktion Chinas auf die Pandemie ist ein „Schlüsselfaktor“. Nachdem der erste Fall von Covid-19 gemeldet wurde, gab China schnell die Genomsequenz-Informationen des neuen Coronavirus bekannt und ergriff eine Reihe von strengen Maßnahmen. In nur wenigen Wochen hat China eine große Anzahl von Menschen in Wuhan getestet und ein effektives Tracking-System eingerichtet.

Darüber hinaus hat China die Produktion von Schutzausrüstung und Masken kontinuierlich ausgebaut; der Anteil der Chinesen, die Masken tragen, ist sehr hoch, und die Menschen achten besonders auf Selbstschutz. China hat auch Schutzkrankenhäuser gebaut, um den Bedarf zu decken, und die Aufnahme von Patienten, die unter Quarantäne gestellt werden müssen, hat das Risiko der Ansteckung von Familienmitgliedern stark reduziert.

Grundsätzlich arbeiten die Chinesen zusammen, um die Pandemie zu bekämpfen, und konzentrieren sich eher auf die allgemeinen Interessen als auf Individualismus. Die Regierung hat immer betont, dass das Leben und die Gesundheit der Menschen an erster Stelle stehen und ihre Interessen über alles andere gestellt werden.

UZ: Der NVK hat den 14. Fünfjahresplan für den Zeitraum 2021 bis 2025 beschlossen. Was sind die darin formulierten Hauptziele?

Yu Peng: Grundsätzlich strebt China gemäß dem 14. Fünfjahresplan für die nationale wirtschaftliche und soziale Entwicklung und den langfristigen Zielen bis zum Jahr 2035 die sozialistische Modernisierung an.
Die wirtschaftliche, technologische und umfassende nationale Stärke Chinas wird deutlich ansteigen, wobei sowohl die wirtschaftliche Größenordnung als auch das Pro-Kopf-Einkommen in städtischen und ländlichen Gebieten ein deutlich höheres Niveau erreichen werden. China plant, bis zum Jahr 2035 große Durchbrüche in Schlüssel- und Kerntechnologien zu erzielen und zum Spitzenreiter unter den innovativen Ländern zu werden. Es strebt danach, eine neue Art der Industrialisierung, Urbanisierung und landwirtschaftlichen Modernisierung zu verwirklichen und ein modernisiertes Wirtschaftssystem zu etablieren, heißt es in dem Dokument, dass dem Kongress vorlag.

Es spezifiziert auch Modernisierungsziele in Bezug auf Staatsführung, Kultur und Bildung, grüne Produktion, Öffnung und nationale Verteidigung.

Es ist erwähnenswert, dass China zum ersten Mal in der Geschichte einen speziellen Abschnitt für eine sichere Entwicklung festgelegt hat, in dem Vereinbarungen über Getreide, Energie und finanzielle Sicherheit beschrieben werden, da die Wirtschaft des Landes in einem komplexen globalen Umfeld voranschreitet.

UZ: Es wird berichtet, dass China künftig mehr auf seine eigenen Stärken und den eigenen Markt setzt. Wie sieht China die Entwicklungen in der EU in Bezug auf die Pandemiebekämpfung und das Wirtschaftswachstum?

Yu Peng: Der Begriff „Zweikreiswirtschaft“ taucht in wirtschaftlichen Diskussionen immer wieder auf. Er signalisiert, dass China seine Binnenwirtschaft stärken will, bedeutet aber nicht, dass sich China vom Rest der Welt isolieren wird.

Stattdessen wird China die „zwei Kreisläufe“ besser miteinander verbinden. Der duale Kreislauf ist ein inte­grales Ganzes, mit dem inländischen als Hauptkörper und dem internationalen Kreislauf als unverzichtbarem Zusatz und Erweiterung, die sich beide gegenseitig fördern.

Nach den neuesten Daten von Euro­stat im Jahr 2020 haben sowohl die Exporte als auch die Importe der EU aus China zugenommen. China hat zum ersten Mal die Vereinigten Staaten als größten Handelspartner der EU abgelöst. Zum einen haben China und die EU die Zusammenarbeit verstärkt, um sich gegenseitig zu helfen und Schwierigkeiten gemeinsam zu überwinden. Durch den effizienten Fluss einer großen Menge an medizinischen Materialien und Geräten zwischen China und Europa hat der Handel zwischen China und der EU ein kontinuierliches und stabiles Wachstum erfahren. Zum anderen haben China und die EU gemeinsam die wissenschaftliche und geordnete Wiederaufnahme von Arbeit und Produktion gefördert. Ab Januar 2021 ist die verarbeitende Industrie in China und der Eurozone jeweils elf Monate in Folge gewachsen.

Mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie, in der China und Europa die Verhandlungen über Investitionsabkommen abgeschlossen haben und das Abkommen über geografische Angaben zwischen China und der EU in Kraft getreten ist, wird die Wirtschafts- und Handelskooperation zwischen China und der EU eine neue und breitere Perspektive eröffnen.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Systemischer Vorteil", UZ vom 19. März 2021



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