Redebeitrag von Jutta Kausch auf der Manifestation für den Frieden auf der XXVIII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

Uns gegenseitig stärken

Jutta Kausch

„Den dritten Weltkrieg stoppen, jetzt“. Das kann ich absolut unterstreichen. Ich glaube, wir waren ihm nie so nahe wie heute. Ich bin Jutta Kausch, seit 1980 aktiv in der Friedensbewegung. Ich habe die Initiative „Künstler für den Frieden“ und Anfang der 2000er Jahre die Initiative „Künstler gegen Krieg“ maßgeblich mitgestaltet und bin seitdem in der Friedensbewegung aktiv.

Beim Kampf gegen den NATO-Doppelbeschluss fühlten wir uns direkt bedroht, dadurch wurden wir viele. Gegen die vielen von den USA und der NATO angezettelten Kriege, die dem Kalten Krieg folgten, haben wir, nicht mehr so viele, auf der Straße gestanden, demonstriert, informiert, für Mehrheiten geworben. Wir wurden immer weniger, aber die, die dabei geblieben sind, wurden nicht leiser, sie wurden nur weniger gehört und schneller überbrüllt.

Heute tobt ein Krieg in der Ukraine. Deutschland ist stark involviert, quasi Kriegspartei, und wir müssten uns eigentlich wieder bedroht fühlen. Aber das hat bisher nicht zu einer starken Bewegung geführt. Ich kann das nicht verstehen.

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Jutta Kausch

Egal, wie man den Krieg einschätzt, ob als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, als zwingende Antwort Russlands auf die immer größer werdende Bedrohung durch die NATO, als Bürgerkrieg, als Stellvertreterkrieg, oder als Machtkampf zwischen imperialistischen Kräften: Es müsste doch für alle, die den Frieden als höchstes aller Güter im Munde führen, oberstes Ziel sein, diesen Krieg zu beenden. Sofort. Über alle Deutungsunterschiede hinweg.

Darum sollten wir, also diejenigen, die nicht der überall auf uns einwirkenden Kriegshysterie verfallen sind und die nicht glauben, dass immer mehr Waffen zum Frieden führen, das auch laut äußern, das Einende suchen, uns vernetzen, uns gegenseitig stärken und uns nicht verunsichern oder gar mundtot machen lassen. Letzeres wird jetzt sogar strafrechtlich versucht durch eine irre Anwendung der § 130 Absatz 5 oder § 140, wie gerade erst beim Betreiber des Antikriegscafés in Berlin, Heiner Bücker, geschehen.

Es muss uns gelingen, eine Bewegung in Gang zu setzen, die nicht mehr überhört werden kann. Es muss uns gelingen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, wo immer es geht: in der Schule, auf der Arbeit, im Kiez, in der Freizeit. Ja, das ist das Einfache, das schwer zu machen ist. Muss aber sein.

Der Krieg in der Ukraine wurde nicht erst am 24. Februar 2022 begonnen. Er hätte auch längst beendet werden können. Schon im März dieses Jahres gab es große Hoffnungen auf Verhandlungen. Das wollte aber wohl niemand von den Unterstützern Kiews. Genauso wenig, wie sie die Umsetzung des Minsker Abkommens wollten. Poroschenko hat schon im Frühsommer die Unterzeichnung des Abkommens gegenüber der „Deutschen Welle“ damit verteidigt, dass die Ukraine „acht Jahre gewonnen hat, um eine Armee aufzubauen.“ Damit haben die Vereinbarungen von Minsk ihren Zweck erfüllt. Damals hat das kaum einer mitgekriegt im großen Kriegsgeschrei. Spätestens seit unsere Ex-Kanzlerin und der Ex-Präsident Frankreichs, den beiden Garantiemächten zur Durchsetzung des Abkommens, das vor kurzem bestätigten, müssten doch selbst die Gutgläubigen in unserem Land ins Grübeln geraten, was die Ehrlichkeit und die wahren Absichten unserer politisch Verantwortlichen angeht. Ob es die ehemals regierende CDU ist oder die neue Ampel.

Der Krieg in der Ukraine kann nicht gewonnen werden. So langsam bröckelt das Narrativ, das in unseren wie gleichgeschaltet agierenden „Qualitätsmedien“ noch vorherrscht. Gerade vorgestern gab der ehemalige Brigadegeneral und Militärberater von Merkel, Erich Vad, der „Emma“ ein Interview. Er kennt sich mit Kriegsführung aus. Er ist überzeugter Transatlantiker, hat nichts gegen die NATO-Osterweiterung, findet Waffenlieferungen an die Ukraine, dosiert und besonnen, auch okay, ist definitiv kein „Putinversteher“, aber in vielen Teilen finde ich seine Äußerungen großartig und zitiere ihn hier voller Freude. Er sagt zum Beispiel:
„Wir haben eine militärisch-operative Patt-Situation, die wir aber militärisch nicht lösen können. Das ist übrigens auch die Meinung des amerikanischen Generalstabschefs Mark Milley. Er hat gesagt, dass ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten sei und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg seien. Alles andere bedeutet den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben.“

Und: „Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. (…) Dabei ist die Mehrheit der Bevölkerung schon länger und auch laut aktueller Umfrage gegen weitere Waffenlieferungen. Das alles wird jedoch nicht berichtet. Es gibt weitestgehend keinen fairen offenen Diskurs mehr zum Ukraine-Krieg, und das finde ich sehr verstörend.“

Über Annalena und die Grünen bemerkt er: „Die Eindimensionalität der aktuellen Außenpolitik ist nur schwer zu ertragen. Sie ist sehr stark fokussiert auf Waffen. Die Hauptaufgabe der Außenpolitik aber ist und bleibt Diplomatie, Interessenausgleich, Verständigung und Konfliktbewältigung. Das fehlt mir hier … Die Mutation der Grünen von einer pazifistischen zu einer Kriegspartei verstehe ich nicht. Ich selbst kenne keinen Grünen, der überhaupt auch nur den Militärdienst geleistet hätte. Anton Hofreiter ist für mich das beste Beispiel dieser Doppelmoral.“

Eine Lösung für die Ukraine sieht er darin: „Man sollte die Menschen in der Region, also im Donbass und auf der Krim, einfach fragen, zu wem sie gehören wollen. Man müsste die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen, mit bestimmten westlichen Garantien. Und die Russen brauchen so eine Sicherheitsgarantie eben auch. Also keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine.“
Und Scholz würde er raten, wenn er sein Berater wäre, „auf unseren wichtigsten politischen Verbündeten, die USA, einzuwirken. Denn der Schlüssel für eine Lösung des Krieges liegt in Washington und Moskau.“

Sein Schlusssatz lautet:
„Es muss sich in Washington eine breitere Front für Frieden aufbauen. Und dieser sinnfreie Aktionismus in der deutschen Politik, der muss endlich ein Ende finden. Sonst wachen wir eines Morgens auf und sind mittendrin im Dritten Weltkrieg.“
Also lasst uns gegen den sinnfreien Aktionismus in der deutschen Politik angehen, gemeinsam. Wir müssen in der Tat den dritten Weltkrieg stoppen. Jetzt!

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