US-Militär verschiebt Waffen und Einheiten nach Deutschland und will Bevölkerung im Dunkeln lassen

Unter Verschluss

Am Mittwoch besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Kaserne und den Truppenübungsplatz der US-Streitkräfte im nordbayerischen Grafenwöhr und traf sich dort mit US-Botschafterin Amy Gutmann und General Darryl Williams, Oberbefehlshaber der US-Landstreitkräfte. Ob die Hyperschallraketen vom Typ „Dark Eagle“ zur Sprache kamen, ist nicht bekannt. Seit Längerem ist Grafenwöhr im Gespräch für die Stationierung der neuen Überschallwaffe, auf die Lühr Henken, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Mitte April schon im UZ-Interview hinwies (UZ vom 15. April).

Weder über das neue Waffensystem noch über den US-Stützpunkt Grafenwöhr erfährt man allzuviel. Über die Manöver, an denen teils mehrere tausend Soldatinnen und Soldaten aus verschiedenen Ländern teilnehmen, erfährt man praktisch nichts vom zuständigen „7th Army Training Command“ noch aus der lokalen Presse. Spärliche Hinweise erhält man am ehesten von den Landrats- und Gemeindeämtern, die um den Truppenübungsplatz beheimatet sind. Diese warnen auf ihren Webseiten Autofahrer vor Staus auf benachbarten Landstraßen oder vor umherfliegenden Metallteilen während eines Manövers.

Lühr Henken wies im UZ-Interview darauf hin, dass Wiesbaden als Sitz des europäischen Hauptquartiers und einer ganzen Garnison der US-Army prädestiniert sei, um von dort aus die Hyperschallwaffen zu lenken – die dann gerade mal 10 Minuten nach Moskau bräuchten. Es mache aus Sicht des US-Heeres wenig Sinn, landgestützte Raketen oder Hyperschallwaffen mit einer mittleren Reichweite zu entwickeln, wenn diese nicht auch in Europa stationiert werden sollten, sagte dazu Marco Overhaus vom „Institut für Internationale Politik und Sicherheit“ in Berlin gegenüber dem „Hessischen Rundfunk“. Dafür spricht auch die Antwort des Wiesbadener Oberbürgermeisters Gert-Uwe Mende (SPD) auf eine Anfrage der örtlichen Stadtratsfraktion der Partei „Die Linke“. Schon am 8. November 2021 sei das 56. Artilleriekommando der US-Streitkräfte mit Sitz im Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kastel reaktiviert worden. Von 1986 bis 1991 war dieses Kommando als „Pershing Headquarters“ im aktiven Dienst in Europa stationiert und wurde „nach der Unterzeichnung des Vertrages über die Abrüstung nuklearer Mittelstreckenraketen außer Kraft gesetzt“, heißt es im Antwortschreiben.

Keine aussagekräftige Antwort erhielt die Stadtratsfraktion auf eine Anfrage an das Wiesbadener „Headquarter der US Army in Europa und Afrika“, was die Aufgaben der neugeschaffenen und erst kürzlich in Wiesbaden stationierten „Second Multi-Domain Task Force“ der US-Streitkräfte seien. Es handele sich um Unterstützungseinheiten der US- beziehungsweise multinationalen Landstreitkräfte für strategische Planungen, so ein Vertreter der US-Streitkräfte. Es sei ihm jedoch untersagt, weitere Informationen über die Task Force preiszugeben.

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"Unter Verschluss", UZ vom 15. Juli 2022



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