Zum Geschacher um die Kindergrundsicherung

Unwürdig

Grundgesetz Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Für sie und viele weitere Familien wäre eine Kindergrundsicherung nicht nur eine finanzielle Hilfe. Sie gäbe ihnen auch etwas Würde zurück. Geldleistungen würden ausgeweitet, bürokratische Hürden beseitigt, die heute dazu führen, dass viele Leistungen nicht abgerufen werden, da sie vielen nicht bekannt sind. Für 2025 hat Familienministerin Lisa Paus einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro im Bundeshaushalt angemeldet. Darüber ist ein unsägliches Geschacher in der Ampel entstanden. Mit diesem Zeitspiel ist die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer Kindergrundsicherung fast nicht mehr umsetzbar.

Die Debatte setzt dabei an der ideologischen Vorbereitung der Hartz-Gesetze an: Arme Menschen sind selbst schuld, faul und versaufen ihr Geld. Ganz perfide macht es die „Tagesschau“. In einem Beitrag lässt sie einen Jugendlichen zu Wort kommen, der in der Jungendhilfe aufwuchs. In die Schule müsse investiert werden, da dort der Staat kontrollieren kann, was mit seinem Geld passiert: „Was in einer Familie, wo den Eltern das Geld einfach nur ausgezahlt wird, nicht der Fall ist.“ Es braucht Investitionen in die maroden Schulen und mehr Lehrer. Und natürlich gibt es Familien, die mit sich und der Erziehung überfordert sind.

Die Mehrzahl der drei Millionen armen Kinder wächst aber bei alleinerziehenden Eltern auf. Gerade alleinerziehende Mütter sind arm. Sie arbeiten in Teilzeit, damit noch Zeit für die Kinder bleibt – und kommen dennoch nicht über die Runden.

Auch das vorliegende Verhandlungsergebnis für den öffentlichen Dienst wird ihre Lage kaum verbessern. ver.di rechnet vor: Eine Erzieherin verdient derzeit 4.000 Euro brutto in der höchsten Erfahrungsstufe, die nach 17 Jahren Berufstätigkeit beim selben Träger erreicht wird. Bei einer halben Stelle bleiben für eine Alleinerziehende davon 1.500 Euro netto. Davon muss sie für sich und ihre Kinder Miete, Heizung, Lebensmittel, Kleidung zahlen. Dagegen hilft keine Einmalzahlung, diese ist schnell verschwunden. Auf die tabellenwirksame Erhöhung muss die Erzieherin noch ein Jahr warten. Dann gibt es knapp 160 Euro mehr im Monat – nicht mal ein Ausgleich der Verluste des letzten Jahres. Und die Preise werden weiter erhöht.

Merke: Wenn „Würde“ in diesem Land etwas kostet, dann gehört sie nicht zu „unseren Werten“. Das Geld wird gebraucht, diese weltweit zu verteidigen.

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Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

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"Unwürdig", UZ vom 28. April 2023



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