USA erhöhen Zölle auf Stahl und Aluminium, auch für die EU

Vorgeplänkel

Von Klaus Wagener

Es hatte alles nichts genützt. Das Wehklagen der Freihandelsapostel, die Wallfahrten nach Washington. US-Handelsminister Wilbur Ross kündigte kurz vor Ablauf der vorläufigen Ausnahmegenehmigung an, dass die Vereinigten Staaten ab 1. Juni 2018 von Mexiko, Kanada und der EU die angekündigten Zölle auf Stahl und Aluminium erheben werden. Die Reaktionen aus Brüssel und Berlin ließen nicht lange auf sich warten: Das sei „ein schlechter Tag für den Welthandel“, floskelte Handelskommisarin Cecilia Malmström, man werde nun vor die Welthandelsorganisation (WTO) ziehen und die Verhängung von Gegenzöllen vorantreiben. SPD-Rechtsaußen Heiko Maas wusste mit der Leerformel „Unsere Antwort auf ‚America first’ kann nur heißen: ‚Europe united’“ zu „überzeugen“. Als ob nicht jeder wüsste, dass sich „Europe united“ gerade nach allen Regeln der Kunst selbst zerlegt.

Auch aus Paris war die Forderung nach einer „starken Antwort“ der EU zu hören. Damit wird es aber wohl so weit her nicht sein. Zölle auf Harley-Davidson-Motorräder und Bourbon-Whiskey werden das Imperium wohl kaum in die Knie zwingen. Die EU hat gegenüber den Vereinigten Staaten einen Außenhandelsüberschuss von rund 150 Mrd. Dollar. Die von Berlin aufgezwungene Austeritätspolitik zielt darauf ab, diesen Überschuss nach Kräften auszubauen. Für dieses merkantilistische und für die Exportindustrie natürlich sehr profitable Ziel bezahlen Millionen, vorwiegend Südeuropäer, mit Armut, Arbeitslosigkeit, mit ihrer Lebenssicherheit und ihrer Zukunftsperspektive. Die VR China hat gegenüber den USA einen fast doppelt so großen Außenhandelsüberschuss, 278 Mrd. Dollar, aber mit dem Ziel, diesen abzubauen. Im Jahr 2017 um minus 17 Prozent. Die Verhandlungsposition der Chinesen dürfte ungleich besser aussehen.

Nur, und das ist die Krux des europäischen Konzeptes, es muss jemanden geben, der die europäischen Überschüsse kauft. Genauer, sich verschuldet, um diese Überschüsse kaufen zu können. Traditionell lösten die imperialistischen Staaten dieses Problem mithilfe der Marine. Einige Kanonenboote liefen aus, um den dummen Wilden die Vorteile von „Freedom and Democracy“ und insbesondere von „Free Trade“ und „Free Enterprise“ zu erklären. Dummerweise haben im vorliegenden Fall die dummen Wilden, vulgo die Trump-Regierung, die deutlich größeren Kanonenboote.

Womit wir bei einer der fundamentalen Regeln des internationalen Handels wären: Es kommt nicht nur darauf an, die billigsten Waren zu haben, sondern auch den größten Knüppel. In der Regel folgt eines aus dem anderen. Im Falle der EU liegen die Dinge aber etwas anders. Während des Kalten Krieges und noch einige Jahre danach verzichteten die Europäer auf einen eigenen „Big Stick“. Die Niederlage bei Stalingrad lag den Deutschen, die am Suezkanal den Briten und Franzosen noch mächtig im Magen und das gut gefüllte Schaufenster in Richtung Osten war auch nicht billig. Man verließ sich in der Weltpolitik da besser auf die US-Boys.

Denen wird die Sache aber allmählich zu kostspielig. Sieben Billionen Dollar haben die USA, laut Trump, in ihr Greater-Middle-East-Projekt versenkt. Der US-Bundeshaushalt ist mit 21 Bio. Dollar verschuldet, das kumulierte Handelsbilanzdefizit, seit 1999 gerechnet, übersteigt 12 Bio. Dollar. Die US-Infrastruktur liegt in Trümmern. Große Teile der US-Industrie wurden exportiert, gutbezahlte Arbeitsplätze gegen prekäre Billigjobs eingetauscht. Millionen verloren in der letzten Krise ihr Haus, ihr Eigentum, ihre Lebensperspektive. Trump hat versprochen die Dinge zu ändern. Wie es aussieht, versucht er damit ernst zu machen. Soweit es ihm seine bürgerlich-bornierte Sicht auf die Sache und die mit Wall Street und den Geheimdiensten verbandelten „liberalen“ Medien erlauben.

Das globale Geschäftsmodell der letzten Jahrzehnte lautete: In den Sweatshops Asiens und zunehmend auch Afrikas wird eine gigantische Menge immer billigerer Waren hergestellt, mit denen auch dem neoliberal verarmten und enteigneten Arbeiter in den Metropolen noch das sozialchauvinistische Gefühl von imperialistischer Kumpanei einzutrichtern ist. Deutschland spielt eine Sonderrolle als Lieferant von Industrieausrüstung und von Luxusgütern. Das Land ist aufgrund der Euro-Krise in der konkurrenzlos günstigen Lage, mit einer für seine Exportindustrie massiv unterbewerteten Währung antreten zu können, und fährt einen Exportrekord nach dem anderen ein. Die USA als Konsument der letzten Instanz kaufen besinnungslos die globalen Überschüsse auf – und verschulden sich über beide Ohren bei den Chinesen, Investoren und Zen­tralbanken.

Dieser, zugegeben verkürzt dargestellte, Verwertungsmodus dürfte seinen Höhepunkt überschritten haben. Der US-Präsident hat ihn gekündigt. Noch sind wir bei den Vorgeplänkeln. Und noch haben es die europäischen „Verbündeten“ nicht wirklich begriffen. Aber sobald es um höhere Zölle auf Pkw und Ähnliches geht, wird man sehen, wie weit die großmäuligen Ankündigungen aus Berlin und Brüssel tatsächlich tragen. Bislang ist kein Plan B in Sicht. Dabei könnte man statt „Europe united“ zu krakeelen schon mal 20 Prozent mehr Lohn für alle fordern. Zur Stärkung der Binnenkaufkraft und als Ausgleich für den neoliberalen Lohnraub der letzten Jahre. Wäre schon mal ein Anfang. Aber natürlich wird die Debatte der staatstragenden „Experten“ in die entgegengesetzte Richtung gehen. Wenn man schon vor dem Abgrund steht, dann aber volle Kraft voraus.

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"Vorgeplänkel", UZ vom 8. Juni 2018



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