Wahre Verfassungsschützer

Markus Bernhardt zum Feindstrafrecht gegen Linke

Politik, Polizei und Justiz holen zunehmend zum Schlag gegen die politische Linke aus. Begleitet von medialen Kampagnen gegen vermeintlich „gewaltbereite Linksextremisten“ kam es in den letzten Wochen zu ersten Verurteilungen von Gegnern des G20-Gipfels, der Anfang Juli in Hamburg stattgefunden hatte. Frei von Beweisen, dafür umso mehr angereichert mit Vermutungen und Unterstellungen, begründeten die Richter die von ihnen verhängten teils horrenden Haftstrafen, die sich gegen junge Demonstranten richteten.

Faktisch wandten sie ein Feindstrafrecht an, bei dem alle zur Verfügung stehenden Mittel erlaubt sind, um vermeintliche Gegner der Gesellschaft zu bekämpfen und beraubten die Angeklagten so ihrer Grundrechte. Was nicht passt, wird passend gemacht, lautet ganz offensichtlich das mittlerweile in Teilen der Justiz vorherrschende Credo.

Das bekamen Ende August auch die Macher der Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ zu spüren, als Bundesinnenminister und CDU-Rechtsaußen Thomas de Maizière ihre Internetseite verbot und die staatliche Zensurmaßnahme ebenfalls mit Unwahrheiten und Unterstellungen zu begründen versuchte. Bemerkenswerte Erfahrungen mussten kürzlich auch die Düsseldorfer Antifaschisten Mischa Aschmoneit und Torsten Nagel machen. Sie sollen zu einer friedlichen Sitzblockade gegen Aufmärsche extrem rechter Gruppierungen aufgerufen bzw. sich daran beteiligt haben. Das brachte ihnen vor dem Amtsgericht Düsseldorf eine Verurteilung zu einer Geldstrafe über 8 800 Euro plus Anwalts- und Gerichtskosten ein.

Einher geht diese Kriminalisierungswelle gegen Linke mit einer zunehmenden Überwachung durch die mit Neonazis verbandelten Inlandsgeheimdienste. Wohl prominentes Opfer der Spitzeldienste aktuell: Silvia Gingold, überzeugte Antifaschistin, Kriegsgegnerin und Tochter der Widerstandskämpfer Peter und Ettie Gingold.

Für die politische Linke, das zeigen alle diese Fälle, werden grundgesetzlich verbriefte Rechte zunehmend außer Kraft gesetzt. Während kaum eine Woche ohne Naziskandal in Bundeswehr oder Politik- und Beamtenapparat, brennende Flüchtlingsunterkünfte, oder rassistisch motivierte Gewalt vergeht, erklärt das bundesdeutsche Establishment ausgerechnet diejenigen zu Verfassungsfeinden, die die letzten noch bestehenden Grund- und Freiheitsrechte entschlossen zu verteidigen versuchen.

Genau das scheint übrigens das Problem der Herrschenden zu sein.

Es bleibt der (radikalen) Linken überlassen, sich gegen rechte Gewalt, ausufernde Kameraüberwachung inklusive Gesichtserkennung im öffentlichen Raum und den schnellen Schrittes erfolgenden Angriffen auf das Demonstrations- und Versammlungsrecht entgegenzustellen.

Wo Bürgerrechtler, die diesen Namen im Gegensatz zum Gros der DDR-Oppositionellen tatsächlich verdienen, vom Establishment zu Aussätzigen verklärt und maßlos bekämpft werden, wird mindestens das Geschäft der AfD betrieben.

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"Wahre Verfassungsschützer", UZ vom 15. September 2017



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