Beiträge zur Auseinandersetzung mit der AfD

Wehret den Anfängen

Von Herbert Meißner

Wehret den Anfängen! Die AfD: Keine Alternative für Deutschland, Hrsg. Anton Latzo, edition berolina, Berlin 2017, 144 S., 9,99 Euro, ISBN: 9783958410787

Unter diesem Titel hat kürzlich Anton Latzo einen Sammelband herausgegeben, in welchem von namhaften Autoren in acht Beiträgen Entstehung und Entwicklung, reaktionärer und rechtsextremer Charakter der AfD sowie ihre Nützlichkeit für das bestehende Herrschaftssystem analysiert und bewertet werden. Die Bedeutung solcher Schrift ergibt sich daraus, dass wir es hier mit einer neuen Erscheinung in der politischen Landschaft der BRD zu tun haben, die viele Fragen aufwirft. Ellen Brombacher hat diese Fragen exakt formuliert: „Sind das Nazis? Ist ein Teil der Mitglieder faschistoid, und was ist dann der andere Teil? Und was ist mit den Wählern? Wenn es stimmt, dass es sich bei gut 70 Prozent um Protestwähler handelt, die das Programm der AfD gar nicht kennen, sind die dann rechts oder protestieren die dann einfach nur? Und schreiben wir die Protestwähler einfach ab, oder kämpfen wir um sie?“ (S. 63/64) Auf diese und weitere Fragen finden sich im vorliegenden Band überzeugende Antworten.

Im ersten Beitrag wird gezeigt, wie sich Vorläufer, Mitläufer, Kostgänger und Gründerväter dieser Partei, aus verschiedenen konservativen, reaktionäre, nationalistischen und neofaschistischen Ecken kommend, gefunden haben. Wer sich darüber informieren will, wie die Gründung solcher Partei zustande kam, findet hier akribisch aufbereitetes Material.

Im folgenden Absatz werden die politischen, sozialen, kulturellen und außenpolitischen Verhältnisse in der BRD dargestellt, die die allgemeine gesellschaftliche Grundlage für die Entstehung und Entwicklung der AfD sind. Anton Latzo stellt fest: „Die Gründung und das Wirken der AfD sind eine Reaktion der herrschenden Kreise des Monopolkapitals auf die komplizierten und widersprüchlicher werdenden Bedingungen, die für die Politik und für die Stabilität der politischen Ordnung aus den sich vollziehenden ökonomischen und politischen nationalen und internationalen Entwicklungen erwachsen.“ (S. 25)

Es wird gezeigt, mit welch nationalistisch orientierter Rhetorik tatsächlich vorhandene Sorgen und Nöte vieler Bevölkerungsteile in reaktionäre Richtung kanalisiert werden. Dass dabei rassistische Aspekte eine deutliche Rolle spielen, ist seit langem erkennbar.

Weniger bekannt und dabei sehr aufschlussreich ist die enge Beziehung der AfD zur Bundeswehr. Eine beachtliche Zahl führender AfD-Funktionäre stammt aus dem früheren und heutigen Offiziersbestand der Bundeswehr. Sie sorgen dafür, dass die militär- und rüstungspolitischen Interessen der deutschen Monopole in der AfD entsprechend Gewicht erhalten.

Dieser Aspekt steht in engem Zusammenhang mit den außenpolitischen Zielen der AfD. Das Bestreben, Deutschland zu einer Weltmachtposition zu verhelfen, wird vorrangig mittels Aufrüstung militärischer Stärke, Auslandseinsätzen der Bundeswehr sowie ihrer Beteiligung an internationalen Konflikten angesteuert Diese Betonung militärischer Gewalt zur Lösung politischer Konflikte wird z. B. von Alexander Gauland, dem Vordenker und Sprecher der AfD, ausdrücklich von Bismarcks Konzept vom Eisen und Blut zu Lösung der Fragen der Zeit hergeleitet. (S. 80/81) Die damit verbundene außenpolitische Gesamtkonzeption wird von Anton Latzo mit reichem Faktenmaterial untersetzt.

Es überrascht nicht, wenn auf diesem Hintergrund die Forderung nach einem starken Staat auftritt. Starker Staat heißt Stabilisierung und Stärkung der bestehenden Staatsmacht nach innen und außen. Verbunden wird damit die Forderung nach einem „schlanken Staat“. Damit wird demagogisch die Illusion vermittelt, es handle sich um den Abbau von Bürokratie. Weit gefehlt! Es geht um den Abbau sozialer, wirtschaftspolitischer, familienpolitischer, bildungspolitischer und ähnlicher Aufgaben, deren Wahrnehmung aber für die Bürger von großer Bedeutung ist. Stattdessen soll der Staat in absolut neoliberalem Sinne die unbegrenzte Freiheit des Marktes, den unbeschränkten Handlungsspielraum der Konzerne sowie die Handlungsfreiheit der Finanz- und Spekulationsmärkte sichern. Das soll durch einen „starken Staat“ verbürgt werden, der in dieser Richtung „verschlankt“ werden soll. Damit wird deutlich, wessen politischer und ökonomischer Interessenvertreter diese Partei ist.

Angesichts dieser gesamtgesellschaftlichen Interessenlage wäre es nützlich, den scheinbaren Widerspruch aufzudecken, dass nicht nur linke oder halblinke, sondern auch die großkapitalistischen Parteien die Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen und sie als ihren Gegner ausgeben.

Das vorliegende Buch bietet noch viele wichtige Aspekte, die hier nicht alle behandelt werden können. Dazu gehören eine ausführliche Analyse des AfD-Programms (Ellen Brombacher), eine Verdeutlichung der braunfleckigen Geschichte der BRD als Wurzelgeflecht für die Entstehung der BRD (Uli Jeschke), eine Darstellung von „Junger Alternative für Deutschland“ (Arne Brix), eine Erläuterung des „Rechtsextremismus in Osteuropa“ (Anton Latzo) u. a.

Die Arbeiten sind eigenständig und nicht als fortlaufende Kapitel eines Buches geschrieben. Daher ist der Hinweis auf „die nächsten Kapitel“ (S. 21) etwas irreführend. Daraus folgt, dass es mitunter Wiederholungen gibt. Das mag manchem Leser lästig sein. Aber es gilt die alte Volksweisheit: Wiederholung ist Mutter der Weisheit. Vor allem gilt es, die reichhaltigen Erkenntnisse, Fakten, Analysen und Einschätzungen zu nutzen zur Vertiefung unseres Wissens, für die Festigung der eigenen Position sowie für die Verbreitung unter möglichst vielen Bürgern.

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"Wehret den Anfängen", UZ vom 17. November 2017



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