„Wir können uns das nicht aussuchen“

Das Gespräch führte Lars Mörking

Interview mit Andreas Köhn, Fachbereichsleiter Medien beim ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg

UZ: Aufmerksame UZ-Leserinnen und -Leser haben die Redaktion darauf hingewiesen, dass in der letzten Ausgabe ein Artikel über die Theodorakis-Woche im Kino Babylon erschienen ist, ohne ihn mit dem Hinweis auf euren Arbeitskampf zu versehen. Seit dem 23. Juli sind die Beschäftigten des Babylon im unbefristeten Streik, worum geht es?

Andreas Köhn

Andreas Köhn

Andreas Köhn: Gestreikt wird für die komplette Übernahme des Flächentarifvertrages Hauptverband Deutscher Filmtheater e. V. (HDF e. V.) – das ist einer von vielen Kino-Tarifverträgen. Wir haben bei Cinemaxx und CineStar Konzerntarifverträge oder wie in Berlin bei der Yorck Kinogruppe und dann gibt es eben noch den Tarifvertrag mit dem Hauptverband Deutscher Filmtheater, der im Regelfall bei den kommunalen Kinos zur Anwendung kommt. Da aber das Babylon nicht im Arbeitgeberverband ist, gibt es hier einen Haustarifvertrag.

Wir hatten vor fünf Jahren die teilweise Übernahme des Flächentarifvertrages vereinbart, aber nur in Bezug auf die Einstiegsgehälter, und der Tarifvertrag hat sich inzwischen in der Höhe der Gehälter auch weiterentwickelt.

UZ: Du sagst, das Babylon ist nicht im Arbeitgeberverband. Wer ist denn Träger des Kinos und wie wird es finanziert?

Andreas Köhn: Träger ist die Neue Babylon Berlin GmbH. Diese GmbH erhält jedes Jahr eine öffentliche Förderung, bisher in Höhe von 358 000 Euro. Ab 2016 finanziert der Berliner Senat 361 500 Euro pro Jahr als Grundfinanzierung.

UZ: Ihr streikt und wendet euch gleichzeitig mit Infoblättern ans Publikum, in denen ihr darauf hinweist, dass der Kinobetrieb auch ohne die Streikenden weiterläuft. Warum ist es so schwer, den Kinobetrieb effektiv zu bestreiken?

Andreas Köhn: Es ist im Zeitalter der Digitalisierung nicht ganz unproblematisch, weil der Geschäftsführer das Kino allein betreiben könnte, um es mal salopp auszudrücken. Das funktioniert heute im Grunde wie ein DVD-Player. Im Babylon wird für bestimmte Veranstaltungen noch mit alten Filmrollen gearbeitet, die können im Augenblick nicht gezeigt werden, weil die Filmvorführer, die mit diesen Anlagen umgehen können, im Streik sind. Aber alle anderen vorgesehenen Vorstellungen können leider trotzdem stattfinden, weil das, wie gesagt, selbst der Geschäftsführer betreiben kann.

UZ: Deswegen auch der Aufruf ans Pub­likum, sich einzubringen und die Streikenden zu unterstützen …

Andreas Köhn: Genau, deswegen werden Informationen an das Publikum verteilt mit der Bitte, den Geschäftsführer anzumailen und uns in Kopie zu setzen, was auch passiert. Die Streikenden haben sehr viel Sympathie erfahren von Menschen, die ins Babylon kommen und sagen: „Ok, dann gehe ich heute nicht ins Kino.“

Es ist schon zu spüren, dass die Besucherzahlen rückläufig sind.

UZ: Das Babylon gilt ja auch als linker Veranstaltungsort. Wie geht ihr damit um, wenn ihr eine Veranstaltung wie die Theodorakis-Woche bestreikt?

Andreas Köhn: Im Babylon gibt es sehr viele Veranstaltungen. Während eines unserer Streiks gab es die Chinesische Filmwoche, dann gab es die Ukrainische Filmwoche, die Stan Laurel und Oliver Hardy-Tortenschlacht-Filmwoche, und so weiter.

Das Kino wird ja auch untervermietet, da kassiert der Betreiber ja auch Geld, während die Beschäftigten im Regelfall nicht in dem Umfang gebraucht werden wie sonst. Dass wir dabei auch inhaltliche Veranstaltungen bestreiken, das ist halt so – wir können uns das ja nicht aussuchen.

Es gibt dann natürlich Nachfragen, warum wir genau jetzt und zu dieser Zeit streiken. Da wird uns unterstellt, wir seien „Russen-freundlich“, weil wir die Ukrainische Filmwoche bestreiken, und China-feindlich, weil wir die Chinesische Filmwoche bestreikt haben.

Wir können uns das nicht aussuchen und nehmen damit auch keine politische Wertung vor.

Wir sind jetzt auch im Gespräch mit der Partei „Die Linke“, denn es findet ja das „Fest der Linken“ auf dem Rosa-Luxemburg-Platz statt, und da ist das Kino Babylon auch miteinbezogen. Man hat uns zugesichert, dass – weil man keine anderen Räumlichkeiten für die geplanten Lesungen gefunden hat – die Streikenden die Bühne nutzen können, um auf dem Fest ihre Forderungen vorzustellen. Außerdem werden wir Flugblätter vor Ort verteilen.

Die Streikenden unterstützen und „tarifliche Normalität einfordern“ mit einer Mail an Babylon-Geschäftsführer Grossman: grossman@babylonberlin.de und eine Kopie an: betriebsgruppebabylon@gmail.com

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"„Wir können uns das nicht aussuchen“", UZ vom 21. August 2015



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