Vor 30 Jahren begann der Krieg des Imperialismus gegen den Irak • Von Manfred Ziegler

Zerstörtes Land

Kein Blut für Öl“ – unter diesem Motto standen die Proteste gegen den Golfkrieg, der vor 30 Jahren begonnen hatte. Nach der Besetzung von Kuweit durch irakische Truppen 1990 folgte eine UN-Resolution auf die andere. Der Irak müsse sich bedingungslos aus Kuweit zurückziehen. Alle Versuche, eine Verhandlungslösung zu finden, scheiterten am Widerstand der USA. Die Proteste gegen den Krieg blieben wirkungslos. Am 17. Januar 1991 begann eine Koalition aus Dutzenden Staaten mit massiven Luftangriffen. Der zweite Golfkrieg hatte begonnen.

Der erste Golfkrieg, der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran, hatte von 1980 bis 1988 gedauert. Dieser Krieg war für die USA keineswegs Anlass zur Sorge und keine UN-Resolution rief zum Waffenstillstand auf. Zweimal reiste der US-Sondergesandte und spätere Verteidigungsminister Rumsfeld während dieses Krieges nach Bagdad und traf den irakischen Präsidenten. Im Gepäck hatte er wohl Geheimdienstinformationen, die die USA dem Irak zur Verfügung stellten. Der Irak war in diesem Krieg wohlgelitten.

Nicht nur in Folge des Kriegs gegen den Iran war der Irak abhängig vom Export seines Erdöls. Um 1990 war es zu einem Verfall des Ölpreises gekommen. Der Irak warf Kuwait vor, unzulässig Öl aus einem Vorkommen zu fördern, das zu 90 Prozent auf irakischem Gebiet liegt. Womöglich glaubte der irakische Präsident bei seinem weiteren Vorgehen an die Fortsetzung der besonderen Beziehung zu den USA.

Das irakische Militär marschierte an der Grenze zu Kuweit auf, um der Forderung, Kuweit solle seine Fördermenge verringern, Nachdruck zu verleihen. Und tatsächlich schien es eine besondere Beziehung zwischen dem Irak und den USA zu geben. Das US-Außenministerium gab gegenüber dem Irak an, die USA hätten keine spezifischen Verteidigungs- oder Sicherheitsabkommen mit Kuwait. Und die US-Botschafterin im Irak beteuerte, die USA hätten „keine Meinung zu innerarabischen Streitigkeiten …“.

Am 2. August 1990 griffen irakische Truppen Kuweit an, sechs Tage später wurde das Land annektiert.
Innerhalb weniger Stunden nach dem Beginn der Invasion verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 660, die einen Rückzug der irakischen Truppen verlangte. Am 6. August verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 661 und verhängte Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, nur Kuba und der Jemen enthielten sich der Stimme. Der irakische Ölexport kam zum Erliegen.

In den folgenden Monaten verhinderten die USA jegliche Verhandlungslösung. Alle Vorschläge des Irak, der (Rest-)Sowjetunion oder Frankreichs wurden abgelehnt. Für die USA war die einzige annehmbare Friedensbedingung der volle und bedingungslose Rückzug des Irak aus Kuwait.

Das Amerikanische Jahrhundert

Es liegt eine tiefe Kluft zwischen „Keine Meinung zu innerarabischen Streitigkeiten“ und „Bedingungsloser Rückzug“. Sie wurde nach außen innerhalb kürzester Zeit überbrückt. Das zeigte eine Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse an.

Jahrzehntelang waren die USA in ihren Handlungsmöglichkeiten durch die Sowjetunion als zweiter Supermacht begrenzt. Doch die Sowjetunion war geschwächt und fiel über mehrere Jahre hin auseinander. Litauen, Estland, Lettland, Armenien und Abchasien hatten 1990 zumindest provisorisch ihre Unabhängigkeit erklärt. Die USA hatten den Kalten Krieg gewonnen. Sie waren die verbliebene Supermacht und konnten schalten und walten, wie sie wollten. Wozu verhandeln? Wozu eine von Frankreich vorgeschlagene Nahostkonferenz, wenn man einfach bestimmen kann: Bedingungsloser Rückzug.

Die Brutkastenlüge

Nur eine skeptische Bevölkerung hätte die uneingeschränkte Macht noch begrenzen können. Sie musste für den Krieg begeistert werden. Dazu wurde die „Brutkastenlüge“ erfunden. Die Tochter des kuweitischen Botschafters hatte im US-Kongress unter Tränen vorgetragen, sie sei als Hilfskrankenschwester Augenzeugin gewesen, als irakische Soldaten bei der Invasion Kuweits Frühgeborene aus ihren Brutkästen gerissen und auf dem Boden hätten sterben lassen. Diese Behauptung wurde von der US-Regierung, Menschenrechtsorganisationen und Medien immer wieder verbreitet. Als der Krieg geführt war, kam die Wahrheit heraus. Es war eine Erfindung der PR-Agentur Hill & Knowlton, die enge Kontakte zur US-Regierung unterhielt.

Der Krieg

Den Großteil der Truppen und insbesondere der High-Tech-Waffen stellten die USA, die nahezu 600.000 Soldaten einsetzten. Britannien, Frankreich, Ägypten, Saudi-Arabien, Syrien – insgesamt 39 Länder beteiligten sich an der US-Koalition gegen den Irak.

Mit Zuckerbrot und Peitsche wurden die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf Linie gebracht. Er ermächtigte am 29. November 1990 die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, „alle notwendigen Mittel einzusetzen, um die Resolution 660 zu unterstützen und durchzuführen“, sofern der Irak nicht bis zum 15. Januar 1991 den UN-Resolutionen Folge leiste.

Am 17. Januar begann das einseitige Schlachten. Vor allem die elektronischen Störmaßnahmen der USA behinderten das relativ moderne, aus Frankreich importierte irakische Luftabwehrsystem. Die Koalitionsstreitkräfte flogen in den ersten 20 Stunden mit über 750 Kampfflugzeugen und Bombern rund 1.300 Angriffe auf Ziele im Irak und gewannen die Lufthoheit. Der Krieg war im Grunde entschieden.

Weitere 42 Tage lang wurde der Irak bombardiert. Bei knapp 2.400 Luftangriffen pro Tag fielen 90.000 Tonnen Bomben. Sie töteten Soldaten in ihren Stellungen und zerstörten die Infrastruktur des Landes. Zivile Tote galten als vernachlässigbare Größe. Sogenannte „präzise“ Waffen wurden nur zum kleinen Teil eingesetzt. Der größte Teil der Bombenmenge wurde in Form von Bombenteppichen durch B-52-Bomber abgeworfen.

Die Unterwerfung

Am 22. Februar 1991 stimmte der Irak einer von der Sowjetunion vorgeschlagenen Waffenruhe zu, doch die USA lehnten ab. Sie stellten dem Irak ein Ultimatum: Rückzug aus Kuweit bis 23. Februar 1991, 12 Uhr New-Yorker Zeit.

Einen Tag später begannen die USA ihren Bodenkrieg. Die durch die Luftangriffe geschwächten irakischen Truppen konnten keinen Widerstand leisten. Am 26. Februar zogen sie sich offiziell aus Kuweit zurück. Die USA bombardierten den irakischen Konvoi auf dem Rückzug stundenlang. Ein Kriegsverbrechen, wie eine Kommission feststellte, der der frühere US-Justizminister Ramsey Clark angehörte.

Das irakische Militär stand dem Angriff vom ersten Tag an hilflos gegenüber. Angriffe mit Mittelstreckenraketen auf Saudi-Arabien und Israel sollten das Blatt wenden, ihre militärische Wirkung war gering. Das israelische Militär enthielt sich jeglicher Aktionen.

Am Ende standen 358 getötete Soldaten der US-Koalition zehntausenden toten Soldaten und Zivilisten des Irak gegenüber. Die USA hatten sich auf Dauer neue Militärstützpunkte am Persischen Golf erobert.


Nicht ohne Deutschland

Direkt nach der erfolgreichen Konterrevolution ging der deutsche Imperialismus daran, gezielt seine militärischen Fähigkeiten wieder herzustellen. Im Rahmen des zweiten Golfkriegs wurden erste Schritte unternommen. Die deutsche Botschaft in Kuweit hat es zusammengefasst:

„Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen Beistandsleistung war die Unterstützung der NATO-Partner und der an der Befreiung Kuweits beteiligten Koalitionskräfte. Als aktiver Truppensteller beteiligte sich die Bundeswehr am NATO-Einsatz zum Schutz der Türkei im Rahmen der Operationen ACE GUARD und SOUTHERN GUARD. Darüber hinaus leistete Deutschland einen finanziellen Beitrag von insgesamt 16,9 Milliarden DM (Stand April 1991). Hiervon entfielen 3 Milliarden DM auf militärische Leistungen zugunsten der NATO-Partner und der Koalitionskräfte. (…) Die Kosten, die unseren Bündnispartnern durch den Einsatz zur Befreiung Kuweits entstanden, wurden von Deutschland mit etwa 15–20 Prozent übernommen. (…) Zudem übernahm die Bundeswehr Aufgaben im Rahmen der NATO-Verpflichtungen anderer Länder, denen so erlaubt war, eigene Kräfte abzuziehen und sie am Golf einzusetzen.“

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"Zerstörtes Land", UZ vom 29. Januar 2021



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