Der Deutsche-Bank-Konzern will 26 000 Stellen „abbauen“

Zocken aus Leidenschaft

Von Klaus Wagener

Waren das noch Zeiten, als Josef Ackermann „das Magische Viertel“ fest im Visier hatte. Nur mit einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent könne eine Bank überleben, meinte der ehrgeizige Schweizer, der geraden den Chefposten der Deutschen Bank von seinem Vorgänger, dem nicht immer mit Fortune gesegneten Rolf-E. Breuer, übernommen hatte.

Der Shareholder-Value war um die Jahrtausendwende das Maß aller Dinge. Ackermann wollte eine Verdoppelung des Börsenwerts. Er wollte also vor allem mächtig Eindruck bei den Zockern schinden. Als ultimative Geldmaschine.

25 Prozent vor Steuern sind natürlich nicht mit simplen Häuslebauerkrediten zu schaffen. Der Bankprofit war in früheren Zeiten der Teil des realwirtschaftlich erzielten Profits, den die Geldverleiher der Realwirtschaft abpressen konnten. Und in der Realwirtschaft sind Profite von 25 Prozent plus aber eher die Ausnahme. Es gibt also im Prinzip zwei Möglichkeiten: Erstens, die „Hebelung“ der Eigenkapitalbasis durch eigene Kreditschöpfung. Und zweitens die „Ergänzung“ der Realwirtschaft-Sparte durch die Casino-Sparte. Oder drittens beides.

Es ist die Zeit der „gehebelten Finanzprodukte“, der „strukturierten“ Papiere und Zertifikate. Schön „verpackt“, „verbrieft“ und bestens „geratet“. Nach Thatchers „Big Bang“ am 27. Oktober 1986 ist in der Londoner City und an der Wall Street Goldgräberstimmung. Die englische und US-amerikanische Finanzindustrie verdienen unglaubliche Summen. Die Deutsche Bank will ihren Anteil vom Kuchen. Es ist nicht der erste Boom, bei dem die Deutsche Bank ganz vorn mit dabei ist. Auch in den außergewöhnlich ertragstarken Jahren 1914 folgende und 1939 folgende verdiente sie klotziges Geld. Aber das ist eine andere Geschichte.

1989 kaufen die Deutschbanker die britische Investmentbank Morgan Grenfell, 1999 die US-Investmentbank Bankers Trust. Die Deutsche Bank ist nun nach der Bilanzsumme die größte der Welt. 1995 kommt der Investmentbanker Anshu Jain von Merrill Lynch. Jain baute die Investment-Sparte in London auf. Laut Wirtschaftswoche sollen in 2005, auf dem Höhepunkt der Spekulationsblase, rund 50 Prozent des gesamten Profits der Deutschen Bank durch die Abteilung Jains realisiert worden sein.

Auf dem Höhepunkt

Im Sommer 2006 erreichte die Blase ihren Höhepunkt. Die Hauspreise stagnierten. Jetzt wurde die Spekulationspyramide „rückabgewickelt“. Zuerst platzten die „Ninja“-Kredite (No Income No Job no Assets, kein Einkommen, kein Job, keine Vermögenswerte) Dann frist sich die Krise durch die gesamte Finanzindustrie. Die Großbanken hatten ihre hochgradig ausfallgefährdeten Forderungen in die ganze Welt verkauft.

In der Folge lässt die Deutsche Bank in den USA etwa 1,4 Millionen Familien aus ihren Häusern vertreiben. Städte wie Hagen, Pforzheim und Würzburg sind ruiniert, weil ihre von der Deutschen Bank verkauften Zinswetten geplatzt sind. An der Manipulation der Referenzzinssätze Libor und Euribor sind die Deutschbanker beteiligt. Auch beim Goldpreis sollen sie mitgemischt haben. Bei der Geldwäsche in Russland. Und natürlich betreibt die Bank auch, wie man seit Lux-Leaks weiß, eine recht aktive Steuervermeidungsstrategie. Die Schäden sind ungeheuer. Die ach so solide Deutsche Bank ist zu einem der ganz Großen des Zockergeschäfts „aufgestiegen“. Millionen haben weltweit ihren Arbeitsplatz und ihre Existenz verloren. Die Boni der DB-Zocker in den letzten 15 Jahren werden auf rund 50 Mrd. Euro geschätzt.

Am 15. September 2008 musste die US-Bank Lehman Brothers Insolvenz anmelden. Nun wurde es auch für die Deutsche Bank eng. Der Bundestag brachte die deutsche Bevölkerung mit einem 480-Mrd.-Euro-Rettungspaket (SoFFin) an den Haken der Großbanken. Auch die Deutsche Bank hatte Milliarden in die Euro-Peripherie verliehen und auch als schon längst klar war, dass dieses Geld nie zurückkommt. Also müssen hunderte Milliarden schwere Rettungsschirme, welche natürlich nur die Banken retten, mobilisiert werden. Der Süden Europas fällt in deprimierende Armut und lähmende Perspektivlosigkeit. Die größten fünf Zentralbanken der Welt mobilisierten bis heute 10,9 Bio. Dollar, um die globale Finanzindustrie mit immer neuem Geld zu pampern.

Die Betrogenen wollen ihr Recht

Für die größte Zockerbude Deutschlands begannen die Aufräumungsarbeiten, die Mühen der Ebenen und die Zeit der Prozesse. In einem fallenden Markt können auch die bestens bonifizierten Finanzartisten des Anshu Jain keine 25 Prozent realisieren. Ackermanns geliebter Marktwert brach praktisch zusammen. Von 103 Euro (2007) fiel der Kurs auf 15 Euro (2009). Und die Betrogenen wollen ihr Recht. Die Bank sah sich mit milliardenschweren Forderungen konfrontiert. Ihre Strafzahlungen addierten sich in den Jahren 2010 – 2014 auf 8,2 Mrd. Euro. Die aller Großbanken weltweit in diesem Zeitraum auf 281 Mrd. Euro. In München sitzen gleich fünf hochrangige DB-Manager auf der Anklagebank. Vorwurf: Prozessbetrug.

Nun folgt auf Anshu Jain der ehemalige UBS-Mann John Cryan als Ko-Vorsitzender. Jürgen Fitschen bleibt bis Mai 2016. In den Frankfurter Türmen demonstriert man mit Cryan nun eine gewisse Bescheidenheit, nachdem die Ackermann-Erben Fitschen und Jain nicht ohne Erfolg geblieben sind, den Ruf des Hause weiter zu ruinieren. Selbst die Dividende soll für 2015 und 2016 ausfallen. Nach Josef Ackermann hätte sich die Existenzberechtigung der Bank damit erledigt.

In der Sache wusste John Cryan allerdings auch nicht viel Neues zu berichten. Die IT sei „lausig“ war da noch das Bedeutendste. Und 2018 wolle man wieder „ordentliche Gewinne abliefern“. Ansonsten fiel dem Neuen auch genau das ein, was allen einfällt, wenn ihnen nichts einfällt: Kosten drücken, „Mitarbeiter“ entlassen, Filialen schließen. Bis 2018 sollen netto 9 000 Stellen gestrichen werden, 4 000 in Deutschland. Brutto sind es sogar 14000. Im Gegenzug sollen 5 000 Stellen neu geschaffen werden. Dazu kommen 6 000 extern Beschäftigte, auf die man künftig „verzichten“ will. Der Konzern inklusive der zum Verkauf noch zu „verschlankenden“ Postbank soll von 103 000 Beschäftigten um 26 000 auf 77 000 Beschäftigte zusammengestrichen werden. Jeder Vierte darf gehen. 200 Filialen vor allem in Großstädten sollen geschlossen werden. Auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Teilzeitbeschäftigte, die vor dem Aus stehen, sind in diesen Zahlen noch nicht enthalten.

Kosten drücken, Leute entlassen, das ganz große Rad drehen. Das war schon das Rezept von Josef Ackermann. Es ist Millionen teuer zu stehen gekommen. Es wird mit John Cryan nicht wirklich besser werden. Wenn es ein Argument für die Verstaatlichung von Banken gibt, dann ist es die Deutsche Bank selbst.

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"Zocken aus Leidenschaft", UZ vom 6. November 2015



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