Kampf um Syrien wird auch im UN-Sicherheitsrat ausgefochten

Zurück zum Krieg

Von Lars Mörking und Manfred Ziegler

Der russische Außenminister Sergej Lawrow

Der russische Außenminister Sergej Lawrow

( UN Photo/Kim Haughton)

Der UN-Sicherheitsrat wurde zur großen Bühne der Ausein­andersetzung zwischen den USA und Russland. Die Außenminister der beiden Staaten traten selber auf, während zugleich die jährliche Vollversammlung der UNO stattfand. Der erst zwei Wochen zuvor nach langen Verhandlungen vereinbarte Waffenstillstand in Syrien war zerbrochen. US-Außenminister John Kerry drängte seinen Widersacher, die Verantwortung für den Angriff auf einen Hilfskonvoi westlich von Aleppo zu übernehmen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow, blockte ab und wies die „emotionale Reaktion“ Kerrys mit gehöriger Empörung zurück, bezeichnete den Angriff auf einen Hilfskonvoi als „inakzeptable Provokation“ und bestand auf einer „eingehenden und unabhängigen Untersuchung“.

Der Waffenstillstand in Syrien dürfte aus den eigenen Reihen der US-Regierung torpediert worden sein. Nicht nur der Angriff auf syrische Truppen durch Flugzeuge der US-Koalition vor zwei Wochen machte deutlich, dass das Pentagon keinen Waffenstillstand wollte. Kampfjets der US-geführten „Anti-IS-Koalition“ in der ostsyrischen Provinz Dair as-Saur führten einen Luftangriff auf einen Stützpunkt der syrischen Armee aus. Die Militärbasis, umgeben von Kämpfern des IS, wurde direkt nach dem Luftangriff am Boden von diesen angegriffen. Die syrische Armee wertete diesen Angriff als Beweis, dass die USA weiterhin den IS und andere terroristische Gruppen unterstützten.

Der US-Außenminister John Kerry

Der US-Außenminister John Kerry

( UN Photo/Kim Haughton)

Das sehen offenbar auch bewaffnete islamistische Gruppen wie die al-Nusra so. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlichte ein von dem Publizisten Jürgen Todenhöfer geführtes Interview mit einem Kommandeur der al-Nusra. Darin behauptet dieser, dass sie direkt von den USA unterstützt worden seien.

Es wird immer unwahrscheinlicher, dass die Behauptung, beim Luftangriff auf syrische Truppen habe es sich um ein Versehen gehandelt, einen nennenswerten Wahrheitsgehalt hat. Aber warum dann dieses Abkommen mit Russland über einen Waffenstillstand? Offenbar gab es in der Obama-Regierung die Auffassung, dass ein solches Abkommen notwendig sei – auch angesichts dessen, dass die syrischen Regierungstruppen in und um Aleppo mit Russlands Unterstützung die Oberhand zu gewinnen scheinen. Gegen einen solchen Waffenstillstand hatte nach Informationen der „New York Times“ das Pentagon Widerspruch angemeldet. Dort werde man selbst entscheiden, ob man den Waffenstillstand akzeptiere oder nicht.

Ein wesentlicher Streitpunkt scheint auch innerhalb der US-Regierung die Zusammenarbeit mit den Islamisten zu sein. Die Forderung Russlands, die USA solle von der Unterstützung islamistischer Gruppen absehen, berührt offenbar ein Kernproblem der US-Strategen: Sie haben keine anderen aussichtsreichen Partner mehr in Syrien, die die Assad-Regierung militärisch herausfordern könnten.

Die Dramatik, mit der die Situation in Aleppo dargestellt wird, spiegelt weniger die Lage der dort noch lebenden Menschen – wann haben diese jemals eine Entscheidung im Pentagon beeinflusst?

Erfolg oder Misserfolg in Aleppo haben eine andere Bedeutung, der weitere Verlauf des Krieges in Syrien, der ein Stellvertreterkrieg ist, wird hier entscheidend beeinflusst.

Ein Erfolg der Armee in Aleppo würde das gesamte dicht besiedelte Gebiet Syriens zurück in den syrischen Staat bringen. IS und al-Nusra würden in die Randgebiete Syriens zurückgedrängt, dahin also, wo der Krieg begann. Das wissen auch die terroristischen Organisationen und ihre Drahtzieher im Hintergrund und das bildet den Hintergrund für die Entwicklungen der letzten Monate.

Die russische Luftwaffe hat mit ihren Angriffen die Fortschritte der syrischen Armee ermöglicht. Dies war ein klares Zeichen an die Mächte der Region und an die USA und es wurde auch verstanden. Monatelang wurde in Genf über einen Waffenstillstand für Syrien verhandelt.

Der Vorwurf, Russland suche eine militärische Lösung für Syrien, während es nur eine politische Lösung geben könne, ist vollkommen verfehlt. Alle Resolutionen der UN und internationaler Konferenzen betonen: Krieg gegen die terroristischen Organisationen – und eine politische Lösung zwischen syrischer Regierung und Opposition. Für die USA bedeutete das Lippenbekenntnisse zum Krieg gegen IS und nach wie vor: Assad muss zurücktreten. Eine politische Lösung lässt sich aber nur innerhalb Syriens, als Prozess der Versöhnung und des Interessenausgleich finden. Dies erfordert einen stabilen syrischen Staat.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Zurück zum Krieg", UZ vom 30. September 2016



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