Zur BAföG-Reform der Bundesregierung

Armutszeugnis

Sophia Autenrieth

Essen, trinken und heizen Studierende weniger als andere Menschen? Auf die Idee könnte man kommen, wenn man sich die BAföG-Reform ansieht, die uns die Bundesregierung als großen Wurf verkaufen will. Sie umfasst eine einmalige Studienstarthilfe für diejenigen, die vor dem Studium bestimmte Sozialleistungen bezogen haben, eine Erhöhung der Elternfreibeträge um 5 Prozent und des Freibetrags für eigenes Einkommen auf die „neue“ Minijob-Grenze von 538 Euro. Zudem darf man künftig ein Semester über die Regelstudienzeit studieren und hat etwas mehr Zeit für einen Fachrichtungswechsel.

Eine Erhöhung der Beitragssätze sieht der Entwurf nicht vor. Wir erleben seit 2018 Preissteigerungen von insgesamt 24 Prozent. Damit hält der Grundbedarfssatz lange nicht mit – zuletzt stieg er auf 452 Euro. Angesichts des niedrigen BAföG-Satzes und der Tatsache, dass nur 11 Prozent der Studierenden überhaupt BAföG beziehen, bleibt zwei Dritteln nichts anderes übrig als neben dem Studium zu arbeiten. Das führt bei vielen zu einer Verlängerung des Studiums.
2021 waren rund 38 Prozent der Studierenden in Deutschland armutsgefährdet. Bei denjenigen, die allein oder ausschließlich mit anderen Studierenden zusammenlebten, waren es sogar 76 Prozent. Daran wird diese Reform nichts ändern. Das ist auch nicht verwunderlich. Wenn eine Regierung über 50 Milliarden Euro für Rüstung ausgibt, bleibt ihr kaum etwas anderes übrig als an anderer Stelle zu streichen.

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel – für Widerstand genau richtig. So lässt sich die Lage zusammenfassen. Denn was macht die Reform mit dem Bewusstsein der Studierenden? Reformen haben immer einen Doppelcharakter. Damit der Aspekt der Einbindung nicht überwiegt, muss die Zeit bis zum Wintersemester 2024/2025, zu dem die Neuerungen greifen sollen, genutzt werden, um für eine Reform des BAföG zu kämpfen, die den Namen auch verdient. Dass Studierende kämpfen können, haben sie im Rahmen der Auseinandersetzung um einen TVStud gezeigt. Nun gilt es, mehr, organisierter und stärker zu werden und konsequenter zu kämpfen – für ein eltern­unabhängiges und rückzahlungsfreies BAföG, für einen freien Hochschulzugang für alle.

Unsere Autorin ist Mitglied des Bundesvorstandes der SDAJ.

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"Armutszeugnis", UZ vom 15. März 2024



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