Baerbock Arm in Arm mit Lindner

„Aufbruch“ der Systemparteien

Die vier „regierungsfähigen“ neoliberalen NATO-Parteien schnitten ab wie prognostiziert. Scholz und die SPD liegen knapp vor Laschet und der CDU. Die Grünen legten stark, die FDP leicht zu. Da eine Große Koaliation derzeit keiner will, sind eine Jamaika-Koalition (CDU/CSU, FDP, Grüne) oder die Ampel (SPD, Grüne, FDP) möglich. Die FDP präferiert Jamaika, die Grünen die Ampel. Laschet bietet eine „Zukunftskoalition“, Scholz eine „fortschrittliche Erzählung“. Grüne und FDP definieren sich als „fortschrittliches Zentrum“. Am 27. September schloss der DAX leicht im Plus, laut Börsianern ein Signal der Beruhigung, da „keine signifikanten Veränderungen der Politik zu erwarten“ seien. Doch bürgerliche Medien zeichnen nach der Wahl eine „über Nacht veränderte Republik“. Direktmandate färben die BRD im Norden rot, im Süden schwarz, mit blauen Flecken in Sachsen und Thüringen und grünen Einsprengseln im Südwesten.

Laut Umfragen sind die Wähler mit dem Ergebnis unzufrieden. Das politisch-mediale Establishment simuliert den „Aufbruch“ vor sich selbst. Der BDI fordert von allen Parteien „Bereitschaft zu wegweisenden Entscheidungen“ im Klimaschutz, bei der Digitalisierung und zur Lösung geopolitischer Krisen. Annalena Baerbocks Motto „Ich stehe für Veränderung“ setzt sich nun um, indem Habeck und Lindner den Kompromiss finden zwischen FDP-Zielen wie „Freie Fahrt auf Autobahnen“, „Keine Steuererhöhungen“, „Flexibles Renteneintrittsalter“, „Mehr private Vorsorge“, „Einhaltung der Schuldenbremse“ und Grünen-Forderungen nach Tempolimit, Reichensteuer, Bürgerversicherung, Ausnehmen der Investitionen von der Schuldenbremse, mehr Mindestlohn. Das Großkapital setzt darauf, dass die FDP in der Ampel, so wie bisher die CDU in der Großen Koalition, soziale Zugeständnisse für die Lohnabhängigen abwürgt.

Laschet ist als CDU-Vorsitzender angezählt. Die Hauptpartei des Monopolkapitals lässt der SPD bei der Regierungsbildung den Vortritt, hält sich aber zugleich für Jamaika bereit. Ob die Ampel scheitert, soll sich im nächsten Halbjahr klären. So oder so will sich die CDU neu aufstellen. Alle Figuren, die sich zuletzt hinter Laschet einreihten, konkurrieren nun wieder offen um die künftige Linie der CDU: Merz vom Wirtschaftsrat, dem Merkel zu „sozialdemokratisch“ war, der Konservative Spahn, der transatlantische Einpeitscher Röttgen, der die Grünen mit einem schärferen Kurs gegen Russland und China ins Jamaika-Boot locken will, der wendige Söder. Schon fordert der Grüne Nouripour die SPD auf, ihren Russland-Kurs zu ändern.

Gramsci definierte Parteien als „organische Intellektuelle“ der verschiedenen Klassen und Schichten. Die Krisen und Zerwürfnisse in der CDU/CSU reflektieren objektive Widersprüche in der Interessenlage des deutschen Monopolkapitals. Anstehende Transformationen wie die Digitalisierung und der ökologische Umbau sollen ohne Verluste an Profitabilität über die Bühne gehen, die Lasten der damit verbundenen Strukturkrisen auf die Massen abgewälzt werden. Zugleich soll die Bindekraft des Systems erhalten bleiben, was nicht ohne soziale Zugeständnisse geht. Geopolitisch ist die exportabhängige deutsche Wirtschaft auf den Handel mit China angewiesen und zugleich dem Druck der USA ausgesetzt, sich von China stärker zu entkoppeln.

Diese Widersprüche verschwinden nicht, wenn Merkel geht. Alle Lösungsvarianten der „regierungsfähigen“ neoliberalen NATO-Parteien bewegen sich in den Grenzen des Systems und werden neue Probleme aufreißen. Lösungen im Interesse der Bevölkerung müssen gegen die Profitinteressen des Monopolkapitals erkämpft werden. Sie dürfen auch vor Systemgrenzen nicht Halt machen. Die Widersprüche im Politikestablishment müssen für den Klassenkampf von unten sowie für den Kampf um Abrüstung und friedliche Koexistenz mit China und Russland ausgenutzt werden.

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"„Aufbruch“ der Systemparteien", UZ vom 8. Oktober 2021



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