Gericht stärkt Bundestagsabgeordneten-Fragerecht

Auskunft geben

Von Markus Bernhardt

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Abgeordneten des Bundestags gestärkt. So stellten die Richter klar, dass die Regierung grundsätzlich verpflichtet sei, Anfragen von Abgeordneten öffentlich zu beantworten. Ansonsten könnten die Parlamentarier „Missstände in Regierung und Verwaltung nicht aufdecken“, wie es in dem in der letzten Woche veröffentlichten Urteil heißt.

Das Gericht hatte aufgrund einer Klage von Bündnis 90/Die Grünen verhandelt. Abgeordneten der Partei waren im Jahr 2010 Antworten auf parlamentarische Anfragen verweigert worden, die sich unter anderem mit der Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie dem umstrittenen Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ befassten. Welche konkreten Konsequenzen der Urteilsspruch nun mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten. So hatte die Bundesregierung auch in der jüngsten Vergangenheit konkrete Antworten auf Skandale wie etwa den Polizeieinsatz rund um den G20-Gipfel in Hamburg oder den NSU-Komplex verweigert. Zuviel Hoffnung, dass die Bundesregierung ihr Handeln künftig transparenter gestalten würde, sollte man sich dennoch nicht machen. So kann die Regierung mit der Begründung, dass bei der Beantwortung einer Anfrage das Staatswohl gefährdet sei, Auskünfte verweigern. Dies kam in der Vergangenheit beispielsweise bei Anfragen über die Verstrickungen von Geheimdiensten in schwere Straftaten vor. Auch auf das Parlamentarische Kontrollgremium ist in dieser Frage nicht zu bauen. Zwar müssen deren Mitglieder auf Wunsch informiert werden, sie selbst sind jedoch unter Strafandrohung zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Insofern ist davon auszugehen, dass wirklich brisante und detaillierte Anfragen, wie etwa zum Oktoberfestattentat 1980 in München, oder auch zum neofaschistischen Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund, auch künftig nicht in dem Maße beantwortet werden, wie es zur Aufklärung dieser Fälle notwendig wäre. Dem sogenannten „Staatswohl“ dürfte hingegen tatsächlich gedient sein, wenn die Bundesregierung transparent agieren würde und die Fragerechte der Abgeordneten auch in der Praxis endlich stärken würde. Dass dies tatsächlich geschieht, dürfte jedoch auch künftig ausgeschlossen sein. In Sinne bürgerlicher Politik gilt immer noch die machiavellische Empfehlung, dass sich die Erfolgsgeschichte eines Staates ganz entscheidend an die Monopolisierung des politischen Geheimnisses bindet. Die Frage, wer die Ziele für welche Interessen definiert, bleibt außen vor. Der Begriff Staatswohl wird herangezogen, um offene Gesetzesbrüche und Straftaten im Geiste eines nicht mehr demokratischen Maßnahmestaates zu legitimieren. Damit wird die geheimgehaltene Institutionalisierung eines Ausnahmezustandes legitimiert; dafür gibt es den Begriff des „tiefen Staates“, ein Zustand, der sich durch diesen Richterspruch alleine nicht ändern wird.

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"Auskunft geben", UZ vom 17. November 2017



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