Die Pflegekammer NRW hat sich konstituiert

Behörde statt Interessenvertretung

Am 16. und 17. Dezember hat sich in Düsseldorf die Kammerversammlung der Pflegekammer NRW konstituiert. Erwartungsgemäß feierten sich die Initiatorinnen und Initiatoren und Befürworter selbst auf einem Festakt, der der eigentlichen Gründung vorausging. Ebenso wenig überraschend: Eine Vollbefragung aller Pflegekräfte, die über die Zukunft der Kammer entscheiden soll, wurde verhindert. Die Mehrheit aus Pflegekammerbefürwortern stellte sich gegen die Forderung der Gewerkschaft ver.di und anderer Pflegekräfte, die der Pflegekammer kritisch gegenüberstehen. Ein entsprechender Antrag wurde mit 24 zu 35 Stimmen abgelehnt.

Die Motivation der Kammerbefürworter, eine demokratische Legitimierung zu verhindern, ist unterschiedlicher Natur. Angefangen mit der illusionären Vorstellung, dass der Pflege mit der Kammer „eine starke Stimme“ verliehen würde, über die Aussage, die „bisherige Arbeit“ solle „nicht umsonst gewesen sein“, bis hin zu jenen, die es ausreichend finden, bei der Ausbildung mitreden zu können. So wurde letztendlich eine Behörde geschaffen, in der sich die Mehrheit darin versteht, der Landesregierung Aufgaben abzunehmen. Worum es nicht gehen wird: die Interessen der Beschäftigten zu vertreten.

Deutlich wurde ebenso, dass der im Raum stehende zukünftige Zwangsbeitrag in Höhe von 5 Euro nicht ausreichen wird, die zukünftige Arbeit der Behörde zu finanzieren. Mit einem Trick wollte die Landesregierung den Unmut von Pflegekräften abfedern und hat die Einführung von Zwangsbeiträgen in die Zukunft vertagt, indem sie die Pflegekammer mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 32 Millionen Euro ausstattete. Die Übernahme der Beiträge steht in einem Spannungsfeld zur eigentlich geforderten Eigenfinanzierung. Doch die schwarz-grüne Landesregierung wollte die Schaffung der Kammer unbedingt durchsetzen.

Ihre Pflichtaufgaben hatte die Landesregierung im Vorfeld der Gründung nicht erledigt: Kammervertreter können aktuell nicht einmal eine gesetzliche Freistellungsgrundlage für die Teilnahme an der Kammerversammlung gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend machen. Insbesondere die bei ver.di Organisierten müssen sich aktuell mit diesem Problem herumschlagen.

Die ersten beiden Sitzungstage wurden im Wesentlichen bestimmt von Auseinandersetzungen über Formalitäten und Satzungsfragen. Die Erwartung der ver.di-Vertreter waren niedrig. Als kleine Erfolge verbuchten sie, dass die Beschlussfassung über die Satzung auf die nächste Sitzung am 20. Januar 2023 verschoben wurde. Zudem soll der Kammer die Möglichkeit eingeräumt werden, Gutachten in Auftrag zu geben. Die Vertreter der ver.di-Liste bilden in der Kammer eine Fraktion. Vorsitzende ist Jasmina Dinter, stellvertretender Vorsitzender ist Detlev Beyer-Peters.

Die Messe über die Zukunft der Kammer selbst ist noch nicht gesungen. Die Errichtung der Kammer ist eine Entscheidung der Landesregierung – und nur die kann sie auch wieder auflösen. Dazu bringt sich die politische Opposition im NRW-Landtag gerade in Stellung. In einer Anfrage will die SPD wissen: „Wie schätzt die Landesregierung die extrem geringe Wahlbeteiligung von nur 10 Prozent der Pflegekräfte in NRW an den Wahlen zur Pflegekammer mit Blick auf die demokratische Legitimation des Gremiums ein?“ und: „Erwägt die Landesregierung mit Blick auf eine Verbesserung der demokratischen Legitimation und damit der Akzeptanz des Gremiums der Pflegekammer bei den 220.000 Pflegekräften in NRW die Durchführung einer Urabstimmung, wie sie von 40 Prozent der aktuell gewählten Mitglieder des Gremiums gefordert wird?“

Die FDP wies zur konstituierenden Sitzung darauf hin, dass die Einrichtung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen „offensichtlich bei vielen Pflegerinnen und Pflegern auf Skepsis“ stößt. Das zeige die geringe Zahl derjenigen, die sich bisher als Mitglieder registriert haben.

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"Behörde statt Interessenvertretung", UZ vom 23. Dezember 2022



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