Über die Berichterstattung zur Friedensdemonstration am 25. November in Berlin

Bricht etwas auf?

Demo in Berlin für Frieden und gegen die Ampel: Ist das der Beginn eines heißen Protest-Winters?“, fragte die „Berliner Zeitung“ am Abend des 25. November. 20.000 Menschen hatten an dem Tag in Berlin ein Ende der Kriegspolitik der Bundesregierung gefordert. Man muss der Zeitung zugute halten, dass sie mit ihrer Berichterstattung im Vorfeld der Manifestation „Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten“ zu deren Erfolg beigetragen hat. Geheuer war ihr das Ergebnis dann aber nicht. „Den Druck von unten sollte man nicht geringschätzen.“ Viele Menschen seien der Politik der Ampel überdrüssig. Am Ende besinnt sich die Kommentatorin der staatstragenden Rolle der Medien: „In Krisenzeiten ist Stabilität erforderlich und keine ewig streitenden Koalitionäre.“

Auch die „Süddeutsche Zeitung“ schwankt in der Berichterstattung heftig zwischen Zustimmung und Verteufelung. Heribert Prantl durfte sich in seiner Wochenschau – hinter der Paywall – an die Seite der Demonstranten stellen. „Nach der Friedensdemonstration gestern am Brandenburger Tor wird davon geredet, dass dort ‚die üblichen Verdächtigen‘ aufgetreten seien“, schreibt Prantl. Er fragte: „Warum sollen sie ‚verdächtig‘ sein – im Gegensatz zu denen, die einen Mentalitätswechsel hin zur Kriegstüchtigkeit in Deutschland fordern?“ Wenn Kriegstüchtigkeit hergestellt werden solle, dann müsse wirklich eine neue, große Friedensbewegung wachsen. In der Berichterstattung rückt die SZ es wieder gerade. Auf der „sogenannten Friedensdemonstration“ machte sie eine „wilde Melange“ aus – inklusive Putin-Verstehern und Antisemiten. Später habe es im Internet auch Fotos gegeben, „die nahelegen, dass sich mindestens vereinzelt auch ultrarechte Gruppen unter die Demonstrierenden gemischt haben“.

Ähnlich das „Neue Deutschland“. Es nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass sich mehrere Redner „dezidiert gegen jegliche Zusammenarbeit mit Rechten“ aussprachen. Aber, da „applaudierten nicht alle, und es gab auch einige Zwischenrufe“, so der Beobachter. An der Demonstration habe zudem ein Block der „Freien Linken“ teilgenommen, „die von Antifaschist*innen als rechtsoffen eingeordnet wird“. Auch Fahnen und Transparente mit der Parole „Ami go home“ habe es gegeben. Leider schaffte es auch die „junge Welt“, von einer „unverändert am Boden liegenden deutschen Friedensbewegung“ zu schreiben. Sie notierte, dass weniger Menschen gekommen waren als im Februar zur Manifestation von Wagenknecht und Schwarzer – aber immerhin habe es dieses Mal keine Versuche von rechts gegeben, sich in die Demo zu drängen.

Die Erzählung, dass die Friedenskundgebung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer mit 50.000 Teilnehmern im Februar von rechts unterwandert war, scheint sich eingebrannt zu haben. Dabei gab es weder dort noch am vergangenen Samstag ernstzunehmende Belege dafür. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied. Der „Aufstand für den Frieden“ von Wagenknecht und Schwarzer war ansehnlich, aber nicht darauf ausgerichtet, über den Tag hinaus zu wirken. Aber darum geht es. Es geht um kontinuierliche Kleinarbeit vor Ort, um über die immer offensichtlichere Aggressivität der Ampel-Politik – alles für den Krieg, nichts für die Menschen – aufzuklären. Es geht darum, die Betroffenen gegen diesen Wahnsinn zu mobilisieren. Die Demonstration am vergangenen Samstag war geprägt von ihnen und von Multiplikatoren aus Friedensinitiativen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, was die „Berliner Zeitung“ zu Recht fürchtet: Massenprotest gegen die Bundesregierung.

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Bricht etwas auf?", UZ vom 1. Dezember 2023



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