Ein Theaterstück mit Dr. Marx

Bühne frei

Von Herbert Becker

Einen klugen und dabei amüsanten Abschluss fand die Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal durch die Premiere des neuen Stücks des „Weber-Herzog-Musiktheaters“. Das Ensemble hatte sich „Das Kapital“ vorgenommen und unter dem Titel „Frau Kapital trifft Dr. Marx“ eine Revue aus Sprech- und Liedtexten erarbeitet. Leider musste die Theatergruppe improvisieren, denn der Schauspieler/Sänger, der den Dr. Marx geben sollte, war kurzfristig erkrankt. Christof Herzog, der die Musik komponiert hatte, sprang ein und löste mit beachtlichem Geschick die Aufgabe. Christa Weber, die verantwortlich zeichnet für die Textauswahl, spielte Frau Kapital, goldbehängt und in einer Kleidung, die an die Diven der Weimarer Zeit erinnerte. Martin Orth begleitete die beiden Protagonisten nicht nur am elek­trischen Pianoforte, sondern spielte den Proletarier Michel in Arbeitskluft, der von Frau Kapital am langen Strick auf die Bühne gezogen wurde.

Kurzweilige eineinhalb Stunden für die rund 150 Gäste der Stiftung, denn die Truppe arbeitete sich an wesentlichen Begriffen der Politischen Ökonomie von Karl Marx wie Ware, Tausch- und Gebrauchswert, menschliche Arbeit, Mehrwert, Akkumulation und Ausbeutung ab. Das zänkische, rechthaberische Gerede von Frau Kapital wurde – manchmal vielleicht etwas zu lehrerhaft – von Dr. Marx gekontert. Ob die Diva überkandidelt sprach oder sang, mit einer Musik, die an Weill und Eisler orientiert war, souverän und beharrlich versuchte Marx, die Dame von ihrer einfältigen, gerne auch einschmeichlerischen Denkweise und von ihrer falschen Sicht auf die Verhältnisse abzubringen. Dies gelang ihm im Laufe der Aufführung, Frau Kapital wurde immer unsicherer, sie verkroch sich unter das große, rote Tuch auf dem Sofa und jammerte vor sich hin. Hier darf Kritik geäußert werden, denn Michel blieb seltsam passiv, und dass Frau Kapital unter dem Tuch wieder als kämpferische Proletarierin auftauchte, war zwar erfreulich, aber ist doch eher Wunschdenken. Vom notwendigen Klassenkampf, von der Rolle der Arbeiterklasse für einen Wechsel der Verhältnisse war leider nicht die Rede, der Michel hätte schon aktiver gestaltet werden können. Dennoch soll die Aufführung gelobt werden, auf der Website der Theatergruppe finden sich eine Reihe von Terminen in diesem Jahr in vielen Orten, wo das Stück gezeigt wird. Für das UZ-Pressefest im September wäre es wünschenswert, wenn „Weber-Herzog“ auftreten können.

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Bühne frei", UZ vom 9. Februar 2018



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