Belegschaft wehrt sich gegen Werksschließungen und Entlassungen

Conti präsentiert Horrorpläne

Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, plant der Automobilzulieferer Continental allein in Hessen 5.000 Arbeitsplätze abzubauen. Geht es nach der Konzernleitung, soll das Werk in Karben (Wetterau), in dem elektrische Bedienelemente wie Klimaanlagen oder Bordcomputer für Autos hergestellt werden, mit seinen 1.100 Beschäftigten ganz geschlossen werden. Neben dem Werk in Karben sollen auch 2.200 der rund 3.000 Stellen am Standort in Babenhausen im Landkreis Darmstadt-Dieburg wegfallen. Laut einer Pressemitteilung der Konzernleitung will sich das Unternehmen dort bis Ende 2025 schrittweise aus der Serienproduktion von Steuerungsinstrumenten in Fahrzeugen zurückziehen. Außerdem sollen bestimmte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an andere Standorte verlagert werden.

Damit nicht genug. Auch am Standort in Schwalbach im Main-Taunus-Kreis sollen rund 180 Stellen wegfallen, und in Frankfurt-Rödelheim ist die Streichung von 500 Stellen vorgesehen. Gegen diese Pläne regt sich Widerstand. Am vergangenen Donnerstag sind allein in Karben 1.000 Beschäftigte gegen die geplante Werksschließung und die damit verbundenen Massenentlassungen auf die Straße gegangen. Die Kolleginnen und Kollegen bildeten eine 1,7 Kilometer lange Menschenkette vom Werkstor zum Rathaus der Stadt. Im Anschluss daran fand eine Kundgebung vor dem Werkstor statt, bei der sich auch zahlreiche Vertreter der Landes- und Kommunalpolitik einfanden. Zeitgleich zu den Protesten in der Wetterau demonstrierten Beschäftigte des Continental-Standorts im südhessischen Babenhausen mit einem Autokorso gegen die Sparpläne der Konzernleitung.

Diese Proteste waren Teil einer Aktionswoche, die der IG-Metall-Bezirk Mitte an den Continental Standorten in Hessen durchführte. Der Stellenabbau und die geplanten Werksschließungen in Hessen sind nur ein Teil von umfangreichen Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen des weltweit agierenden DAX-Unternehmens. Nach jüngst bekannt gewordenen Planungen aus der Chefetage sind mehr als eine Milliarde Euro an Einsparungen pro Jahr bis 2023 angepeilt. Betroffen hiervon sind weltweit etwa 30.000 Arbeitsplätze, davon 13.000 in Deutschland. In einem von der Unternehmensführung im vergangenen Herbst vorgelegten Papier war noch von einer jährlichen Zielgröße von „nur“ rund 500 Millionen Euro pro Jahr und von bis zu 20000 Jobs, davon 7000 in der BRD, die Rede. In einer aktuellen Veröffentlichung des Konzerns liest sich das folgendermaßen: „Die Arbeitsplätze werden verändert, verlagert oder aufgegeben und dauerhaft unrentable Geschäftsteile werden verkauft“. Die Unternehmensleitung begründet diesen Kahlschlag mit dem „Sachzwang“ Transformation und bezeichnet ihr Vorgehen als alternativlos.

Wenn man nur die Profite der Anteilseigner vor Augen hat, mag dies vielleicht stimmen. Betrachtet man jedoch die Interessen der Beschäftigten, gibt es sehr wohl gute Alternativen. Die kürzlich von der IG Metall, nicht nur bei Continental, sondern für alle Betriebe der Metall- und Elek­troindustrie, ins Spiel gebrachte Viertagewoche wäre eine solche Alternative. Denn Veränderungen in der Produktionsweise, auch oder gerade, wenn diese Dimensionen wie die aktuellen Transformationsprozesse der Industrie erreichen, müssen nicht unbedingt Stellenabbau zur Folge haben. Technischer Fortschritt kann auch zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Menschen genutzt werden. Dies hängt jedoch von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ab. Letztendlich geht es um die Frage, ob ein Wirtschaftssystem der Befriedigung der Bedürfnisse der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung oder den Profitinteressen weniger dient. Die Kapitalseite setzt hier naturgemäß auf die Profite der Minderheit. Sie nennt dies Unternehmensstrategie, die IG Metall eine Kampfansage an die Beschäftigten. Letztere sehen das genauso und sind in ihrer großen Mehrheit bereit, wie die Aktionen in der vergangenen Woche eindrucksvoll gezeigt haben, um ihre Arbeitsplätze und eine bessere Zukunft zu kämpfen.


Die Continental AG ist ein börsennotierter deutscher Automobilzulieferer mit Sitz in Hannover. Im Unternehmen sind etwa 241.000 Mitarbeiter an über 540 Standorten in 60 Ländern beschäftigt. Continental hat sich von einem reinen Reifenhersteller zu einem der größten Automobilzulieferer entwickelt und ist nach der Robert Bosch GmbH der größte Automobilzulieferer der Welt.
Die Schaeffler-Holding, im Alleinbesitz von Georg und Maria-Elisabeth Schaeff­ler, hat eine beherrschende Beteiligung von 46 Prozent an der Continental, die damit ein Schwesterunternehmen der Schaeffler AG (INA, FAG, LuK, Hydrel und weitere) ist.

Die Aktie der Gesellschaft ist seit dem 24. September 2012 wieder im wichtigsten deutschen Aktienindex DAX vertreten. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen Dividendenrendite wurde die Aktie im September 2019 zusätzlich in den Div DAX aufgenommen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Conti präsentiert Horrorpläne", UZ vom 18. September 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit