Zur 6. Plenartagung der KP Chinas

Das Gegenmodell

Sebastian Carlens

Zwanzigste Parteitage kommunistischer Parteien haben – nach dem entsprechenden Kongress der KPdSU im Jahr 1956 – eine bestimmte Symbolwirkung. Im Gegensatz zum XX. sowjetischen Parteitreffen, das die sogenannte Entstalinisierung eingeleitet hatte, ist von Seiten der Kommunisten Chinas keine grundsätzliche Kursänderung zu erwarten, wenn sie im nächsten Jahr in Peking tagen werden.

Die Durchführung des 20. Parteitages in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 war einer der Beschlüsse der 6. Plenartagung des ZK der KP Chinas. Weder hat sich der amtierende Generalsekretär Xi Jinping hierbei zum „Herrscher auf Lebenszeit“ ernannt, wie bürgerliche Medien unken – eine zeitliche Begrenzung für den Posten hat es nie gegeben; eine dritte Amtszeit für Xi ist wahrscheinlich und im Einklang mit den Parteistatuten. Noch ist bei dem Treffen die „Parteigeschichte neu geschrieben“ worden: Von der Ära Mao Zedongs zieht die KPCh eine Linie zu Deng Xiaoping, in dessen Zeit die wirtschaftliche Öffnung des Landes fiel.

Es geht aktuell darum, die Lebensverhältnisse in China von „moderatem“ auf „gemeinsamen Wohlstand“ anzuheben. Dazu wurde in der Provinz Zhejiang ein Pilotprojekt begonnen, um rund 80 Prozent der dortigen Bevölkerung auf das ökonomische Niveau der „Mittelschicht“ zu bringen. Gelingen soll dies in sehr kurzer Zeit, bis zum Jahr 2035.

Die neuen Maßnahmen, die in erster Linie eine Art Reichen- und Kapitalbesteuerung vorsehen, sollen dabei den aktuell ausgemachten Hauptwiderspruch – zwischen den gestiegenen materiellen Bedürfnissen der Bevölkerung einerseits, den ungleichmäßig entwickelten Bedingungen in China andererseits – lösen helfen. Die Errichtung des voll entwickelten Sozialismus ist dies natürlich noch nicht; die KP Chinas weiß darum.

Gleichzeitig sehen sich die Partei und die ganze chinesische Gesellschaft einer beispiellosen Aggression des Imperialismus gegenüber. Der Druck von außen erhöht die Notwendigkeit, die Eigenheiten des Landes im Kontrast zum Aggressor, der mit westlicher Demokratie und ebensolchen „Menschenrechten“ hausieren geht, herauszustellen – das ist der chinesische Sozialismus. Der Boom der letzten Jahrzehnte hat soziale Ungleichheiten entstehen lassen, deren Lösung eine Aufgabe der Kommunisten sein wird.

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"Das Gegenmodell", UZ vom 19. November 2021



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