Kein Maulkorb für Kriegsgegner – Demokratische Rechte verteidigen

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

„Stoppt den Völkermord! Solidarität mit Palästina“ sollte auf einem Aufkleber stehen, den die DKP in der vergangenen Woche in Druck gegeben hat. Die Online-Druckerei stornierte den Auftrag – mit Hinweis auf einen möglichen Straftatbestand der Volksverhetzung nach Paragraph 130 Strafgesetzbuch. Die Druckerei nennt das Qualitätskontrolle. Wir nennen es Zensur.

In Leipzig wurden DKP und SDAJ Räume eines nach eigener Aussage antifaschistischen Kulturzentrums für eine Lesung aus Ronald M. Schernikaus „Die Tage von L“ gekündigt. Die „Ansichten und Werte des Veranstalters SDAJ zur aktuellen Lage in Israel und Gaza“ deckten sich „nicht mit denen des Vereins“, so die Begründung.

Der Bundesauschuss der DGB-Jugend veröffentlichte einen Beschluss „Solidarität mit unseren Freund*innen in Israel“, in dem das Leid der Menschen in Gaza und im Westjordanland keine Erwähnung findet. Die Berliner Volksbühne lud den Ex-Labour-Chef Jeremy Corbyn aus, weil er sich „in der Vergangenheit nicht ausreichend von antisemitischen Positionen distanziert“ habe. Auf dem Parteitag von „Die Linke“ erntete ein Delegierter Pfiffe, als er den Völkermord in Gaza als solchen benannte. Berlins ehemaliger Kultursenator Klaus Lederer hingegen bekam Beifall für die Frage, wie man nach den Angriffen auf Israel am 7. Oktober noch immer dieses „Nahost-Theater“ aufführen könne. Er meinte damit offenbar die Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Streifen und im Westjordanland.

In den Revierparks in Nordrhein-Westfalen dürfen Parteien keine Veranstaltungen mehr durchführen. Nach mehr als 20 Jahren UZ-Pressefesten im Dortmunder Revierpark Wischlingen lässt sich das durchaus als „Lex DKP“ verstehen. Die erste Absage erfolgte nach dem 24. Februar 2022, dem Eintritt Russlands in den Ukraine-Krieg.

Alles nur Nadelstiche und Schwamm drüber? Nein, das ist die fortgeschrittene Formierung der Gesellschaft, die die Regierenden für ihre Kriegsertüchtigung brauchen. Die Formierung wird bereitet und flankiert von nahezu gleichgeschalteten Medien, willfähriger Justiz und losgelassener Polizei.

Die Formierung begann nicht mit dem 7. Oktober und nicht mit dem 24. Februar vergangenen Jahres. Sie begann auch nicht mit den ersten Corona-Toten in diesem Land. Aber diese Ereignisse markieren Schübe im reaktionär-militaristischen Staatsumbau. Wer das Impfen und die Qualität der Impfstoffe in Frage stellte, war Corona-Leugner und rechter Schwurbler. Wer das Narrativ vom russischen Angriffskrieg, der zu verurteilen sei, und das der Ukraine als Hort der Demokratie in Frage stellte, war Putin-Versteher und Querfrontler. Wer den Krieg Israels gegen Gaza kritisiert, ist Antisemit. Alle zusammen sollen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Ihre Fragen und Zweifel an der Erzählung der Herrschenden sollen kein Gehör finden. Ihr Nein zur Politik der NATO-Kriegstreiber schon gar nicht. Für das, was diese Bundesregierung tut – alles für den Krieg, nichts für die Menschen in diesem Land –, braucht sie die geschlossene Heimatfront.

Alle, die mit offenen Augen durch die Welt gehen, können es sehen: Die SPD-geführte Bundesregierung führt Krieg nach innen und außen – die Menschen sollen dafür zahlen, sie sollen hungern und frieren. Ihre Interessen sind dieser Regierung egal. Dagegen müssen wir uns wehren – gemeinsam und solidarisch. Noch ist das möglich.

Wir wollen Frieden mit Russland und China. Wir wollen Frieden für Palästina. Deshalb muss Deutschland raus aus NATO und EU. Wir wollen warme Wohnungen und Löhne, die zum Leben reichen – und auch noch Kleider und Schuh. Deshalb muss diese Regierung weg. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!", UZ vom 24. November 2023



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