Der eigene Wille zum Krieg

Lucas Zeise zur Münchner Sicherheitskonferenz

Werbung kann bekanntlich in Spuren auch Wahres vermitteln. So verhält es sich auch mit der Münchner Sicherheitskonferenz vom vergangenen Wochenende. Die Welt ist dem großen Krieg näher gerückt, sagten dort verschiedene Redner. Sie haben leider Recht. Daran ändert auch nichts, dass zumindest einige davon zu den Kriegstreibern der ersten Reihe zählen. „Wir haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation von Großmächten gehabt“, sagte der Präsident der Veranstaltung Wolfgang Ischinger.  Auch der deutsche Interimsaußenminister Sigmar Gabriel warnte vor der akuten Gefahr eines Krieges – im aktuellen Fall vor allem zwischen den NATO-Partnern Türkei und USA. Der Kern seiner Botschaft war allerdings, dass „Europa“ endlich gemeinsam seine Interessen durchzusetzen habe. „Europa braucht … eine gemeinsame Machtprojektion in die Welt.“ Anders gesagt, Europa braucht eigene Mittel und den eigenen Willen zum Krieg.

Seit Jahren dient die Kritik an der Politik der Führungsmacht USA als Rechtfertigung für eine eigene imperialistische Außenpolitik. Die Sicherheitskonferenz war dabei immer wieder eine willkommene Gelegenheit, das darzustellen. Legendär der Auftritt des deutschen Außenministers Joseph Fischer anno 2003, der den Ausführungen des US-Kriegsministers Donald Rumsfeld, warum der Feldzug in den Irak notwendig sei, sein „Ich bin nicht überzeugt“ entgegensetzte. Die deutsche Kritik an der US-Politik heute bezieht sich in erster Linie auf den wenig diplomatischen Stil des Präsidenten Donald Trump. Von ihren Grundsätzen (Werten) her geben sich Gabriel, von der Leyen und die in München nicht anwesende Kanzlerin noch US-amerikanischer als die US-Führung selber. Freedom and Democracy gegen die autoritären Feindstaaten China und Russland in Stellung zu bringen, ist, folgt man der Rede des sozialdemokratischen Außenministers, der Sinn und Zweck dafür, weshalb EU-Europa eine eigene effektive Streitmacht braucht und eine Politik, sie auch einzusetzen.

Auf den aktuellen Kriegsschauplätzen (Ukraine und Syrien) zwischen Russland und dem Westen ist von Kritik an den USA nichts zu merken. Vielmehr besteht völlige Übereinstimmung. Die Ukraine soll nach wie vor antirussisch in Stellung gebracht werden. Die Regierung Syriens wird unverändert bekämpft, die Integrität des Staates nicht anerkannt. Die USA setzen sich nach der Niederlage ihrer islamistischen Terrorgruppen auf Dauer mit eigenen Truppen im Land fest. Sie bombardieren schon mal syrische Regierungstruppen. Und sie werden bei diesem Treiben unverändert von Deutschland und Frankreich unterstützt. Die Bundeswehr wird künftig auch in Jordanien und Irak stationiert sein. Der immer weiter ausholende Aktionsradius des deutschen Militärs geschieht nicht gegen, sondern in enger Abstimmung mit den USA. Schließlich hatte der israelische Premier Benjamin Nethanyahu auf der Münchner Konferenz Gelegenheit, nach der Teilniederlage des Westens im syrischen Krieg für den Einsatz seines Militärs in diesem Krieg zu werben.

Die Münchner Konferenz ist eine Werbeveranstaltung einerseits für die (vorwiegend deutsche) Rüstungsindustrie und andererseits die deutsche imperialistische Außenpolitik. Dass diese militärisch aktiver werden soll, dass die EU befähigt werden soll, selbstständig imperialistische Politik zu betreiben, hören wir schon lange. Das ist leider auch glaubhaft. Dass der EU-Imperialismus sich von dem der verbündeten USA unterscheidet oder gar absetzen wird, dafür fehlt jeder Hinweis.

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"Der eigene Wille zum Krieg", UZ vom 23. Februar 2018



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