Parteiführung empfiehlt Abgeordneten, nicht gegen neuen Kriegseinsatz in Afghanistan zu stimmen

„Die Linke“ knickt in der Friedensfrage ein

Es war ein gefundenes Fressen. Am Montag notierte „FAZ“-Parlamentskorrespondent Peter Carstens in einem Leitartikel unter der Überschrift „Auf die Bundeswehr ist Verlass“ genüsslich: Nach dem Sieg der Taliban sei „mancher Rücktritt“ fällig und nannte unter anderem den deutschen Außenminister, dessen Amtszeit aber eh bald ende. Carstens fügte hinzu: „Politisch ein bisschen interessant wird noch, ob die Linke-Fraktion, die bislang jede Krisenintervention abgelehnt hat, dem aktuellen Einsatz der Bundeswehr diese Woche im Bundestag zustimmt.“ Da freute sich jemand, dass „Die Linke“ in die Zange genommen war.

Am selben Tag strahlte die „Deutsche Welle“ ein Interview mit der Ko-Parteivorsitzenden Janine Wissler aus, in dem sie von einer der Moderatorinnen gefragt wurde, ob es nicht „Prinzipienreiterei“ sei, gegen das Mandat für eine militärische Evakuierung aus Kabul zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten. Einen Tag später, am Dienstag, kommentierte „Taz“-Redakteur Stefan Reinecke auf der Titelseite unter der Überschrift „Die Prinzipienreiter“: Sollte die „Linke“-Fraktion am Mittwoch (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ) im Bundestag nicht dem Antrag der Bundesregierung zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan zustimmen, dann bringe sie es „fertig, den Bonus, die Abgründe dieses Krieges klar gesehen zu haben, eigenhändig in einen Malus zu verwandeln“. Die Erteilung des Mandats sei angesichts von Todesangst vieler in Kabul doch „schlicht selbstverständlich“. Aber der linke Flügel „um Sevim Dagdelen, der außenpolitisch den Ton angibt, hängt einem ideologisch ausgehärteten Antiimperialismus an, in dem die USA immer die Bösen sind“. Die „Vernünftigen“ in der Linkspartei beteuerten, eine Enthaltung sei „für die Fraktion doch ein Schritt nach vorne“. Reinecke: „Das macht es fast noch schlimmer.“

Vor allem erinnert seine „Selbstverständlichkeit“ an die Zeiten, als die „Taz“ wegen „Völkermords“ im Kosovo, in Irak oder in Libyen jeden Kriegsgegner als mitleidlosen „ausgehärteten Antiimperialisten“ bekämpfte. Diesmal hatte sein Blatt, wieder auf Grundlage ähnlich emotionaler Behauptungen, den Streit in der Linkspartei mit ausgelöst. Am Sonnabend hatte Jan von Aken, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Parteivorstandes, in der „Taz“ für die Zustimmung zum Kriegseinsatz plädiert. Eine Flut ähnlich lautender Aufforderungen ging bei „Linke“-Bundestagsabgeordneten ein. Am Sonntag empfahl der Parteivorstand Enthaltung.

Der Regierungsantrag selbst war vermutlich auch mit Blick auf „Die Linke“ im Wahlkampf gestellt worden. Formal war ein neues Mandat nicht nötig, die nun angegebene Rechtsgrundlage existiert nicht. Angeführt wird nämlich die „Zustimmung der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan“. Die gibt es seit dem 15. August nicht mehr.

Am Dienstag wurde Sevim Dagdelen vom „Spiegel“ wegen ihres angekündigten Nein zu dem Mandat einvernommen und nannte es „völkerrechtswidrig“. Sie trat für Absprachen mit den Taliban und eine nichtmilitärische Evakuierung ein. Die Bundesregierung müsse aber vor allem „die Unterstützung der Rohstoffkriege der USA aufgeben, die den Vorderen Orient und Libyen verwüstet haben“. Ihr „Nein“ kann Enthaltungen und „Ja“-Stimmen von Bundestagsabgeordneten der „Linken“ nicht aufwiegen.

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"„Die Linke“ knickt in der Friedensfrage ein", UZ vom 27. August 2021



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