Reema Kagtis „Gold“ ist eine Verbeugung zum Unabhängigkeitstag

Die Macht des Hockey

Tapan Das (Akshay Kumar) ist ein ebenso leidenschaftlicher wie auch chaotischer Bengali. Er lebt für Hockey, aber er kämpft auch für die Unabhängigkeit seines Landes. Hockey ist so etwas wie der Nationalsport in Britisch-Indien. In diesem von den Kolonialherren importierten Spiel der „Upper-Middle-Class“ dominieren die Inder über Jahrzehnte die gesamte Weltelite. So ist es nicht ganz abseitig, dass Regisseurin Reema Kagti für ihren Film „Gold“ dieses Sportthema gewählt hat. In ihm spiegelt sich, passend zum Unabhängigkeitstag des Landes, viel

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von der Größe und den Potentialen, aber auch von den Problemen und Widersprüchen des Landes. So vermasselt Tapan mit seinem Team bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin den Faschisten einen Propagandaerfolg, als Indien die Deutschen im Endspiel mit 8 : 1 geradezu deklassiert. Das reale Team um Hockeylegende Dhyan Chand hatte zudem auch den „Führergruß“ verweigert. Das haben nicht viele gewagt. Aber 1936 ist Indien das „Kronjuwel des British Empire“, seit 1876, Victoria zu Ehren, gar ein britisches Kaiserreich. Für Tapans Spieler ist der Sieg daher ein ambivalenter Triumph, nur versteckt können sie ihren Erfolg dem Unabhängigkeitskampf widmen.

Aber der Zweite Weltkrieg erschüttert die britische Kolonialherrschaft zutiefst. Das ökonomisch schwer angeschlagene Britannien ist zur weiteren Repression der neu erwachten Unabhängigkeitsbewegungen in Asien kaum mehr fähig. Selbst die bislang loyale Kolonialarmee meutert und streikt. Das Ende des „Union Jack“ steht in Indien vor der Tür, aber auch die Olympischen Spiele. 1948, noch dazu in London, im Zentrum der ehemaligen Kolonialmacht. Der mittlerweile reichlich heruntergekommene Tapan erkennt die Chance, die in einem Sieg einer indischen Hockeymanschaft für das Identitätsgefühl eines freien Indien liegt. Immer wieder wirbt er mit bewegenden Worten, diese Chance auch wirklich zu nutzen. Seine Appelle an die Einheit und das Nationalbewusstsein sind die eigentlichen, wiederkehrenden Botschaften des Films.

Doch das Land hat andere Sorgen. Mit der Unabhängigkeit kommt auch die Teilung in Indien und Pakistan. Britisch-Indien umfasste neben dem heutigen Indien auch die Gebiete des heutigen Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Der von den Briten kalkuliert forcierten, überstürzten Teilung, dem entfesselten religiösen und nationalen Hass fielen nach Schätzungen bis zu zehn Millionen Menschen zum Opfer. Auch Tapans Olympiamannschaft liegt in Trümmern. Wieder steht er vor dem Aus.

Der Regisseur Reema Kagti zeigt die Katastrophe der Teilung, weniger ihre Protagonisten und Ursachen. Auch die Härte des Befreiungskampfes ebenso wie die große Hungersnot in Bengalen 1943 mit geschätzt bis zu 4 Million Toten kommen nicht vor. Möglicherweise ein in Indien zu bekanntes Thema. Aber die Bemerkung des nostalgisch verklärten Premiers Churchill sollte dem Leser doch nicht vorenthalten werden: „Es sind abscheuliche Leute mit einer abscheulichen Religion.“ Die Menschen verhungerten, weil „sie sich vermehren wie die Karnickel“. Die Todesopfer des britischen Imperialismus werden auf bis zu 30 Millionen geschätzt. Allein in Britisch-Indien.

„Gold“ ist einer jener Filme, deren Ende man kennt und die davon leben, dass die Story gut erzählt wird. Und da zieht Reema Kagti alle Bollywood-Register. Wer eine realitätsnahe Dokumentation erwartet, ist hier fehl am Platz. Da wird aus dem echten 4 : 0, das Indien 1948 im Feldhockey gegen England erzielte, schnell mal ein 5 : 4 für Indien, weil so die Spannung größer ist. Der Film liebt Musik, Tanz, schöne Helden und noch schönere Frauen – die den Helden ab und zu zeigen, wo’s lang geht. Und er liebt das Pathos. Die Inder sind aber auch wirklich die Guten und die Deutschen und Briten ziemlich finster-hinterhältige Gesellen. Wobei die Inder dann so gut im Hockey sind, dass selbst das gegnerische Publikum stehend applaudiert. Nach 200 Jahren kolonialer Unterdrückung geht das sicher okay.

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"Die Macht des Hockey", UZ vom 21. September 2018



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