Brandenburgische Landesregierung plant Regelanfrage auf Verfassungstreue

Die Wiederkehr der Berufsverbote

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) schickt seine Beamtenanwärter auf eine Zeitreise zurück ins Jahr 1972, als der „Radikalenerlass“ auf Jahre für die flächendeckende Gesinnungsprüfung von Millionen Referendaren, Lehrern, Postlern und Eisenbahnern sorgte. Stübgen beabsichtigt mit einem neuen Gesetz, die Regelanfrage für jeden Bewerber im öffentlichen Dienst wieder einzuführen. Am 26. September 1995 war die Bundesrepublik wegen einer solchen Regelanfrage im Fall der Lehrerin Ursula Vogt, die sich für die DKP engagiert hatte, verurteilt worden. Das Gericht hielt die deutsche Praxis für einen Verstoß gegen die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.

Seit einigen Jahren erfreuen sich Gesinnungsüberprüfungen bei den Innenministern der Länder wieder mehr und mehr der Beliebtheit. In Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern laufen zwar keine Regelanfragen für alle Beamtenanwärter, aber solche, die auf einzelne Berufsgruppen wie Polizeibeamte und Bewerber für den Justizdienst bezogen sind. So erhalten im Jahr etwa 1.500 bayerische Studierende, die gerade ihr erstes juristisches Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen haben, zusammen mit ihren Examensergebnissen ein Belehrungsformular zur Verfassungstreue sowie einen Fragebogen für den bevorstehenden Referendardienst, auf dem Zugehörigkeit oder Mitarbeit in „extremistischen“ Organisationen abgefragt wird. Damit der Bewerber weiß, um welche Organisationen es geht, ist eine Liste beigefügt, auf der man neben DKP und SDAJ auch die VVN-BdA und den Studentenverband der Partei „Die Linke“ findet. Wer den Bogen falsch oder gar nicht ausfüllt, ist seinen Job auch los, denn in diesem Fall geht der Dienstherr von einer bewussten Täuschung und Verletzung der beamtenrechtlichen „Treuepflicht“ aus.

Die nun in Brandenburg neu auf die Agenda gesetzte Regelanfrage beim Verfassungsschutz verletzt den Schutzbereich gleich mehrerer Grundrechte: Neben der Meinungs- und Organisationsfreiheit, wird die Berufswahlfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz (GG)) eingeschränkt, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 GG) verletzt und gegen das Diskriminierungsverbot nach Artikel 3 Absatz 3 GG verstoßen. Jeder Bewerber für den öffentlichen Dienst steht unter Generalverdacht. Sinn der Regelanfrage ist es, dem Beamtenanwärter die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass er nicht mit einer „extremistischen“ Organisation zusammenarbeitet oder mit ihr sympathisiert. Der Bewerber, dem zum Beispiel „vorgeworfen“ wird, im Demonstrationsblock einer gelisteten Organisation mitgelaufen zu sein, nutzt ein Bestreiten nichts, er müsste einen „Alibibeweis“ führen.

Der Teilnehmer am Gesinnungs-TÜV steht damit schlechter als ein Beschuldigter im Strafverfahren. Letzterer hat wenigstens ein Recht auf Akteneinsicht – der Verfassungsschutz führt seine Akten verdeckt. Im Strafverfahren muss überdies vor der Sanktion die Schuld bewiesen werden, bei der Regelanfrage reicht zur Vernichtung der beruflichen Zukunft „der begründete Zweifel an der Verfassungstreue“ des Bewerbers. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vermutet mittlerweile nicht nur unter angehenden Juristen potentielle Verfassungsfeinde, sondern auch bei den Laienrichtern (Schöffen). Die wirken bei Amtsgerichten und Landgerichten an der Hauptverhandlung mit, ihre Stimme zählt bei der Verurteilung gleich der des Berufsrichters. Eine Neufassung des Paragrafen 44a des Deutschen Richtergesetzes ist in Arbeit. Auch ehrenamtliche Richter sollen in Zukunft die „Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einzutreten. 60.000 neue Fragebögen gehen dann in den Druck.

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"Die Wiederkehr der Berufsverbote", UZ vom 15. Juli 2022



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