Zu den Corona-Gewinnern

Ende der Bescheidenheit

Mit Verweis auf die Corona-Krise wurden und werden aktuell Forderungen von Beschäftigten bei den Tarifrunden nach Gehaltssteigerungen von den „Sozialpartnern“ abgebügelt. Sie verweisen auf angeblich leere Kassen bei Konzernen und auch der Kommunen. Dieses Ritual wurde schon in der Finanzkrise und vorher zu Beginn der Hartz-Zeiten durchaus erfolgreich von Kapital und Regierung zelebriert. Es gebe nichts zu verteilen, sagen die, die nicht teilen wollen.

Da kann das „Familienunternehmen“ Oetker – seine rund 34.000 Beschäftigten erwirtschaften einen Jahresumsatz von etwa 7,4 Milliarden Euro – eine erkleckliche Summe, wohl eine Milliarde Euro, auf den Tisch legen, um den Getränkelieferanten „Flaschenpost“ in die Familie aufzunehmen. Lieferdienste sind zu den Rennern der Pandemiezeiten geworden.

An das Familiensilber musste das Unternehmen nicht gehen: Vor drei Jahren hatte der Konzern seine Reederei Hamburg Süd für 3,7 Milliarden Euro an den dänischen Maersk-Konzern verkauft.

In ganz anderen Dimensionen bewegen sich die Zahlen bei Amazon. Der Gewinn verdreifachte sich im dritten Quartal des Jahres auf den bisherigen Bestwert von 6,3 Milliarden Dollar. Für das letzte Quartal rechnet der Konzern mit Einnahmen von 112 bis 121 Milliarden Dollar.

Amazon gehört zu den Spitzengewinnern der Pandemie, da die Nachfrage nach Bestellungen im Internet kräftig zunahm, und auch das Cloud-Geschäft mit IT-Services und Speicherplatz im Internet wurde zur Goldgrube. Aber das ist für die Unternehmensleitung nun kein Grund, die Profite mit den Belegschaften zu teilen: Nach wie vor werden den Kolleginnen und Kollegen in Deutschland Tarifverträge vorenthalten.

Facebook profitierte davon, dass mehr Unternehmen in der Pandemie auf der Suche nach neuen Einnahmequellen auf das Internet gesetzt haben. Der Umsatz stieg um 22 Prozent auf 21,2 Milliarden Dollar und brachte einen Gewinn 7,85 Milliarden Dollar, ein Anstieg von immerhin von 29 Prozent.

Die deutsche Automobilindustrie kriselt seit Jahrzehnten, lang bevor wir erfahren haben, was überhaupt eine Pandemie ist. Und dann ließ es die Bundesregierung mit dem „Umweltbonus“ krachen: Zur Zeit beträgt er für Basismodelle bis zu einem Nettolistenpreis von 40.000 insgesamt 9.480 Euro. BMW-Chef Oliver Zipse freut sich daher aktuell über die hohe Nachfrage beim X5-Plug-in-Hybrid und beim Elektro-Mini. Für einige Modelle sind die Kapazitäten mehr als ausgelastet, Kunden müssen ein halbes Jahr warten, die Produktion dieses Zeitraums sei weitgehend verkauft.

Auch Volkswagen sieht sich wieder auf der Erfolgsspur. Nachdem im Frühjahr die Bänder stillgestanden hatten, verringerte sich der Umsatz im dritten Quartal lediglich um 3,4 Prozent auf 59,4 Milliarden Euro.

Immerhin erzielte Volkswagen in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 einen Gewinn von 2,4 Milliarden, eine beachtliche Summe, auch wenn es im vergleichbaren Zeitraum 2019 noch 12,4 Milliarden Euro mehr gewesen sind.

Natürlich leben wir in krisenhaften Zeiten. Aber Covid-19 hat die Auswirkungen nur verstärkt. Die Rezepte des Kapitals bleiben jedoch stets die gleichen: Die Krisenlasten sollen die „Sozialpartner“ bezahlen, die trotzdem sprudelnden Gewinne werden selbstredend und stillschweigend eingesackt.

Optimistisch macht, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen nicht mehr willens sind, sich das Fell über die Ohren ziehen zu lassen. Das war bei den Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst erkennbar und ist aktuell erlebbar in den Kämpfen der IG Metall. Es ist eine Menge zu lernen vom Monopolkapital: Es ist niemals bescheiden.

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"Ende der Bescheidenheit", UZ vom 6. November 2020



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