Bei Thyssenkrupp droht weiterer Kahlschlag

Finanzhaie gewinnen Oberhand

Von Willi Hendricks

Die Beschäftigten bei Tyssenkrupp stehen vor drastischen Einschnitten und Veränderungen. Am. 9. August kündigte Vorstandschef Guido Kerkhoff massive Kostensenkungen an, vorwiegend in der Essener Zentrale und im Aufzugsgeschäft. Angestrebt werden Einsparungen in Höhe von 250 Millionen Euro – davon 150 Millionen in der Hauptverwaltung und 100 Millionen in der Aufzugssparte.

Kerkhoff spricht von „Handlungsbedarf“ in der Essener Zentrale: „Insgesamt nehmen wir innerhalb von vier Jahren 35 Prozent der Verwaltungskosten raus.“ Wie viele Arbeitsplätze „herausgenommen“ werden, darüber verliert er kein Wort. Rund 4 000 der 160 000 Beschäftigten erledigen Verwaltungsaufgaben. Man gewinnt eine ungefähre Vorstellung, wie die vom schwedischen Großaktionär Cevian und dem US Finanzinvestor Elliot wiederholt geforderte „Verschlankung der Verwaltung“ am Ende ausfallen wird.

Noch beträchtlicher wird es die Werktätigen in der Anlagebau-Sparte treffen. Angeblich steckt die Anlagen- und Schiffbausparte tief in den roten Zahlen. Unter Hiesinger war der Abbau von 2 000 Arbeitsplätzen bereits vor einem Jahr beschlossene Sache.

Für den neuen Konzernchef Guido Kerkhoff ist wichtig, „die Dinge beim Namen zu nennen“. Nicht ohne Grund umgeht der einstige enge Vertraute seines Vorgängers Hiesinger den Sachverhalt, dass er als Finanzvorstand an der überhöhten Zielstellung für die Konzernbilanz beteiligt war.

In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ am 1. August führt Elliott-Fondsmanager Franck Tuil an: „Die aktuellen Turbulenzen sind in erster Linie auf frühere Fehlentscheidungen zurückzuführen.“ Hinter dem Hedgefonds Elliott steht der US-Milliardär Paul Singer. Und der Finanzinvestor Cevian fühlt sich durch die aktuelle Entwicklung in seiner Forderung nach einem Konzernumbau bestätigt. „Die jüngste Gewinnwarnung von Thyssenkrupp zeigt ein weiteres Mal, dass die bestehenden Strukturen zu komplex geworden sind“, sagte Cevian-Chef Lars Förberg. Das Unternehmen habe jetzt die Chance, „die richtige Struktur zu finden, um seine Einheiten wettbewerbsfähiger, wachstumsstärker und erfolgreicher aufzustellen“. Als nachahmenswertes Beispiel führte er Bayer, Siemens, Continental und Daimler an. Cevian hält seit Zukäufen Anfang März 2014 etwas über 15 Prozent der Aktien und ist hinter der Krupp-Stiftung zweitgrößter Aktionär.

Thyssenkrupp will möglicherweise die Sparten Aufzüge, Autoteile, Anlagebau und Werkstoffhandel in unabhängige Geschäftsbereiche umwandeln. Ins Spiel gebracht werden darüber hinaus Partnerschaften mit bisherigen Konkurrenten. Für die Aufzugssparte wird in diesem Zusammenhang der Thyssenkrupp-Konkurrent Kone genannt, zu dessen Vorstand die Vorsitzende der Kruppstiftung Ursula Gather Anfang Juli Kontakt aufgenommen hatte. Es sei noch zu früh, um zu sagen, was dies für die Beschäftigten bedeute, sagte ein Unternehmenssprecher.

Die Zerschlagung des Konzerns ist folglich eingeläutet und wird umschrieben mit Worten wie „unabhängige Geschäftsbereiche“, „Konzernumbau“ oder ähnlichen Verschleierungen. Das neue Konzept soll im Herbst vorgestellt werden. Also weiterhin Bangen um Arbeitsplätze bei den Stahlwerkern. Die von Cevian als beispielgebend angeführten Großbetriebe haben jedenfalls tausende Arbeitsplätze vernichtet.

Konkurrenzkampf kennt kein Pardon. Gravierende Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind die Schließung der Kruppwerke 1988 in Rheinhausen sowie die feindliche Übernahme der Hoeschwerke Dortmund 1992 durch Krupp, später in Thyssenkrupp umgewandelt. Der Einpeitscher damals war Krupp-Chef Gerhard Cromme. Die Crommes, Hiesingers oder Kerkhoffs vertreten rücksichtslos Konzerninteressen, sie lassen verbrannte Erde hinter sich.

Unverständlich, dass Betriebsrat und IG-Metall angesichts der unveränderlichen Einstellung Cevians zur Ausgliederung einzelner Sparten plötzlich den Großaktionär als Heilsbringer für die Belegschaft entdeckt haben. Mehr als überzogen scheint es, wenn Konzernbetriebsratsvorsitzender Wilhelm Segerath eine nichtssagende Geste des Cevian-Gründungspartners Lars Förberg, der in Hinblick auf die Konzernstrategie äußerte, man müsse auch die Interessen der Arbeiter wahren, für bare Münzen nimmt: „Ich nehme die Äußerung von Herrn Förberg mit Wohlwollen zur Kenntnis“, sagte er in der WAZ. Von vielen Betriebsräten und Gewerkschaftern wurde Cevian abgelehnt. Gerade Cevian wird immer wieder mit Plänen zur Zerschlagung des Konzerns in Zusammenhang gebracht.

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"Finanzhaie gewinnen Oberhand", UZ vom 17. August 2018



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