Kommunisten treten zur Parlamentswahl in Venezuela an

Für eine revolutionäre Lösung der Krise

Am 6. Dezember finden in Venezuela Parlamentswahlen statt. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) tritt gemeinsam mit der Linksallianz der Revolutionären Volksinitiative (APR) an. UZ sprach mit Carolus Wimmer, Internationaler Sekretär der PCV, über die Sanktionen, Fehler der Regierung Maduro und die Verschärfung des Klassenkampfes in Venezuela.

UZ: Welche besonderen Auswirkungen hat der Wirtschaftskrieg der USA und der EU gegen Venezuela momentan in der Pandemie?

Carolus Wimmer1 - Für eine revolutionäre Lösung der Krise - Venezuela, Wahlen - Internationales
Carolus Wimmer

Carolus Wimmer: Die US-Sanktionen haben dazu geführt, dass der venezolanische Staat Einnahmen von rund 31 Milliarden Dollar verloren hat.

Der frühere Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, erklärte bereits 2019, dass die US-Sanktionen dem Land jährlich einen Verlust von mehr als 11 Milliarden Dollar verursachen würden.

Dies betrifft besonders die am stärksten gefährdeten Schichten der Bevölkerung: Kinder und Jugendliche, kranke und ältere Menschen. Es gibt wenig Ressourcen für den Import von Lebensmitteln und Medikamenten, da der venezolanische Rentierkapitalismus von Öleinnahmen als fast einziger Devisenquelle abhängt. Die US-Sanktionen trugen zu einem steilen Rückgang notwendiger Importe bei. Im öffentlichen Sektor sind sie 2019 um 46 Prozent (auf 500 Millionen US-Dollar) und 2020 um weitere 50 Prozent (auf 250 Millionen US-Dollar) gesunken.

Die Sanktionen der USA und ihrer europäischen Verbündeten, die darauf abzielen, die Finanzierung wesentlicher Importe und Ölexporte zu blockieren, haben ihre Wirkungen erfüllt. Sie haben die bereits bestehende soziale und wirtschaftliche kapitalistische Krise in Venezuela vertieft, die sich aus dem fehlerhaften Management der Regierung ergibt. Die Sanktionen sind die perfekte Ausrede, um strukturelle Inkompetenz zu vertuschen.

Durch die Pandemie steuert das Land in eine wirtschaftliche Tragödie, deren Hauptopfer das Volk ist, weil weder die sozialdemokratische Regierungspartei noch die konterrevolutionäre Opposition mit den täglichen Problemen der Krise konfrontiert werden.

UZ: Hätte die Regierung Maduro Maßnahmen ergreifen können, mit denen Venezuela besser gegen diese Angriffe des Imperialismus gewappnet gewesen wäre?

Carolus Wimmer: Natürlich. In unseren Dokumenten, und wir haben dies der Regierung mehrfach gegenüber zum Ausdruck gebracht, sprechen wir, die Kommunistische Partei Venezuelas, von einer revolutionären Lösung der Krise. Das bedeutet eine totale politische Kursänderung. Anstatt die reformistische, sozialdemokratische und kapitalfreundliche Regierungspolitik fortzusetzen, brauchen wir eine revolutionäre Arbeiter-und-Bauern-Regierung. Die Macht in den Fabriken muss der Arbeiterklasse übergeben werden, die Bauern sollen Besitzer des Landes und Bodens werden, so wie es die Verfassung verlangt. Die Kontrolle der Produktionsprozesse muss den Werktätigen unterliegen. Dies widerspricht aber der aktuellen Klassenstruktur der Regierung. Nach dem Tode Chavez’ sind dort hauptsächlich kleinbürgerliche und bürgerliche Vertreter zu finden.

Wir haben positive Beispiele: Als die Ölindustrie im Jahre 2002 nach dem Putsch gegen den Präsidenten Chávez sabotiert wurde, gelang es den Arbeitern, sie zu retten, und sie entschlüsselten sogar die Software der US-Ölfirmen.

Die PCV fordert weiter die Unterstützung der nationalen Industrieproduktion und der Landwirtschaft gegen die geltende Politik der bodenlosen Finanzierung von Importen.

Einer der Kernpunkte eines langfristigen Erfolgs liegt in der Nationalisierung der Banken, die den Kern der konterrevolutionären Sabotage gegen eine nationale stabile Währung darstellen und durch die Währungsspekulation sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Stabilität in Gefahr bringen.

Die heutige Regierung verrät, im Gegensatz zu der von Präsident Chávez, einmal mehr die arbeitende Bevölkerung, was auch den taktischen Kurswechsel der PCV mit sich brachte.

UZ: Ihr kritisiert vor allem das neue „Anti-Blockade-Gesetz“, da es Privatisierungen Vorschub leistet, statt wirksames Mittel gegen die Auswirkungen der Blockade zu sein. Kannst du das kurz erläutern?

Carolus Wimmer: Das Anti-Blockade-Gesetz ist ein verfassungswidriges Instrument, das den Präsidenten über die Verfassung stellt. Es verleiht ihm eine nicht kontrollierbare Macht. Auf diese Weise begann seit seiner Verkündung am 9. Oktober bis heute eine Reprivatisierungswelle von Staatsbetrieben im landwirtschaftlichen Bereich, ohne vorzeitige Informationen für Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Entlassungen und Verletzungen der Arbeitsrechte stehen auf der Tagesordnung. All dies wird von den die Medien verschwiegen.

Die PCV mobilisiert die Arbeiter und ist ein entscheidendes Sprachrohr für die Proteste und Forderungen der Arbeiterklasse, was wiederum eine von der Regierung eingeleitete totale Zensur gegen die Kommunisten hervorgerufen hat. Wir werden weiterkämpfen gegen den Imperialismus und das Kapital, aber auch gegen die verräterische, arbeiterfeindliche Politik der Sozialdemokratie.

Das Anti-Blockade-Gesetz kommt der wirtschaftlichen Oligarchie zugute und schadet der Mehrheit.
Unter diesen Umständen werden die PCV und die Linksallianz der Revolutionären Volksinitiative (APR) eine wichtige Rolle in der neuen Na­tionalversammlung spielen. Schon jetzt haben wir zu einer Volksabstimmung gegen das Anti-Blockade-Gesetz aufgerufen.

UZ: Mit welchen Schwerpunkten ist die PCV in den Wahlkampf gegangen?

Carolus Wimmer: Die Kommunistische Partei und die APR fordern unter anderem einen allgemeinen Mindestlohn und eine Rente, die die Grundlebenshaltungskosten der Familien garantieren. Die Menschen sollen nicht gezwungen sein auszuwandern, ihren Besitz zu verkaufen, auf Überweisungen von Verwandten im Ausland zurückgreifen zu müssen oder sich der Schwarzarbeit zu widmen, um zu überleben. Unser Vorschlag, für einen angemessenen Lohn zu kämpfen, wurde von vielen Menschen aufgegriffen.

Unsere Forderungen sind ausreichendes Gehalt, um in Würde zu leben; Festlegung einer gleitenden Lohnskala, die an den Preisindex gebunden ist; Sicherung des Arbeitsplatzes und der Sozialleistungen; Aufhebung eines Steuerabkommens, das das ausländische Kapital von der Zahlung von Steuern befreit; Kapitalsteuern für große nationale und transnationale Kapitalgesellschaften; Schluss mit der Mehrwertsteuer. Die Grundversorgung mit Gas, Strom und Trinkwasser ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Politik.

Eine aktuelle Umfrage von Datanálisis, einem Beratungsunternehmen, ergab, dass mehr als 62 Prozent der Venezolaner weder der Regierung noch der rechten Opposition vertrauen.

Auf dieser erfolgversprechenden Realität bauen wir eine neue Allianz für die Wahlen und die Zeit danach auf, die Revolutionäre Volksalternative APR.

Harte Klassenkämpfe stehen uns bevor, gegen den Imperialismus und gegenüber einer Regierung, die sich in der Praxis mehr und mehr von den Ursprüngen der Bolivarianischen Revolution Chavez’ abwendet, die Interessen der Arbeiterklasse und Bauern verrät, die Hungerlöhne beibehält und die gleichzeitig einen zusätzlichen riesigen Mehrwert für die Kapitalisten schafft.

Die PCV wird im parlamentarischen und außerparlamentarischen Bereich der Kriminalisierung der Arbeitskämpfe und der Verfolgung von Gewerkschafts- und Bauernführern entgegentreten. Verbrechen sollen nicht ungestraft bleiben.
Die Parlamentswahlen sind ein wichtiger taktischer Schritt hin zum noch weit entfernten Sozialismus.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Für eine revolutionäre Lösung der Krise", UZ vom 4. Dezember 2020



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