Gegen Entschädigungen

Christian Spenger zu „DW enteignen“

Auf ihrem letzten Berliner Landesparteitag am 15. und 16. Dezember beschloss die Partei „Die Linke“, das Volksbegehren jener Aktivisten zu unterstützen, die eine „Enteignung“ der Deutsche Wohnen (DW) fordern. Ein für nächstes Frühjahr geplantes Volksbegehren zielt mittlerweile nicht mehr allein auf den DW-Konzern, sondern auf alle privaten Wohnungskonzerne mit über 3 000 Wohnungen. Sie alle sollen „enteignet“ werden. Die DKP ist immer für die Enteignung der Schlüsselindustrien und Großkonzerne, aber hier ist „Enteignung“ gegen Entschädigung gemeint. Diese Entschädigung würde die Spekulationsgewinne der Konzerne sichern. Das wird aber erst im Kleingedruckten zugegeben, daher ist die Kampagne in gewisser Weise unehrlich.

Die neoliberale „taz“ ist begeistert: Keine kontroverse Debatte; auch bei der Linkspartei stoße der Antrag auf Zustimmung. Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion, spreche gar anerkennend davon, dass sich die Partei „aus der Regierung heraus radikalisiert“.

Weil hier mit Illusionen gehandelt wird. Der eher rechte Berliner Landesverband hat nämlich das Problem, dass er seine Regierungsbeteiligung und auch kommende Wunschkoalitionen, „Rot-Rot“ oder „R2G“, vor der Basis rechtfertigen muss. Denn der Kapitalismus feiert auch in der Hauptstadt, ob mit oder ohne Beteiligung der Partei „Die Linke“ an derRegierung, fröhliche Urständ. Und die Wagenknechtsche „Aufstehen“-Bewegung droht, alle Unzufriedenen abzuholen.

Da bietet die populistische „Enteignen“-Kampagne die Chance, kräftig links zu blinken: Klingt wie Sozialismus, ist aber nichts weiter als Schall und Rauch oder eben, wenn die Kampagne denn wirklich fruchten sollte, die Erfüllung feuchter Investorenträume, die ihr Wohnraum-Portfolio zum Marktwert inclusive erwartbarem Gewinn würden versilbern können. Man gaukelt Radikalität vor, doch auf der Strecke bleiben die Berliner Mieter aus der Arbeiterklasse, die so oder so bei einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 40000 zunehmend um Wohnraum konkurrieren müssen. Dringend benötigter billiger Wohnraum entsteht mit dieser Linken nicht.

Das Schlimmste aber ist, dass sowohl bei Genossen der Linkspartei wie auch bei den zahlreichen Kampagnen-Unterstützern einmal mehr Illusionen entstehen, die nur enttäuscht werden können. Immobilienhaie und AfD-Hetzer reiben sich da die Hände.

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"Gegen Entschädigungen", UZ vom 4. Januar 2019



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